08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
fragte Bruder Adamrae schroff, als sie nach der kurzen Antwort auf ihr Klopfen eintrat.
»Nur wenig, bloß die Antwort auf ein paar Fragen«, antwortete sie höflich.
»Wahrscheinlich handelt es sich um Schwester Muirgel«, murmelte Bruder Dathal. »Ich hörte von Schwester Crella, daß du dem nachgehst.«
Bruder Adamrae schaute sie mißgünstig an.
»Woher nimmst du das Recht, Fragen zu stellen?«
Fidelma blieb gelassen.
»Der Kapitän hat mich darum ersucht«, erwiderte sie. »Ich bin …«
»Ich weiß, du bist Anwältin«, fauchte Bruder Adamrae. »Uns geht das alles nichts an. Wir kommen nicht aus derselben Abtei. Also stell deine Fragen und geh.«
Bruder Dathal blickte sie entschuldigend an.
»Adamrae meint, unsere Zeit ist kostbar für uns. Wir sind wissenschaftlich beschäftigt, weißt du, wir übersetzen etwas.«
»Zeit ist kostbar für jeden«, stimmte Fidelma ernst zu. »Besonders kostbar ist sie für jemand, dessen Zeit abgelaufen ist – wie für Schwester Muirgel.«
Sie nahm das Pergamentblatt auf, das vor Bruder Dathal auf dem Tisch lag. Es war in der alten Ogham-Schrift beschrieben, der ältesten Schrift der Sprache von Éireann.
»Ceathracha is cheithre chéad …« Sie begann den Text zu lesen.
Bruder Dathal war überrascht.
»Kannst du die alte Ogham-Schrift lesen?«
Sie verzog das Gesicht.
»Hat nicht der heidnische Gott Ogma, der Gott der Schriftkunde und der Gelehrsamkeit in Urzeiten, die Kenntnis solcher Buchstaben zuerst den Leuten von Muman gegeben?« konterte sie. »Wer ist denn in der Lage, die alte Schrift zu entziffern, wenn nicht eine Frau aus Muman?«
Bruder Adamrae machte ein finsteres Gesicht.
»Jeder kann vielleicht die Buchstaben aussprechen, aber was bedeutet der Text? Entziffere die Worte, wenn du so klug bist.«
Fidelma sah sich die alten Sätze genauer an. Sie besaßen deutlich eine Versform.
»Vierzig und vierhundert
Jahre, das ist nicht gelogen,
Vom Auszug des Volkes Gottes,
Das versichere ich euch,
Über die Oberfläche des Meeres von Romhar,
Bis sie über das Meer von Meann eilten,
So kamen die Söhne Míles in das Land Éireann.«
Dathal und Adamrae staunten, wie mühelos sie das alte Epos las.
Dann brummte Bruder Adamrae mürrisch, als wolle er ihre Leistung herabsetzen: »Die alte Sprache der Texte kennst du also, aber verstehst du sie auch? Wo zum Beispiel liegt das Meer von Romhar? Und wo ist das Meer von Meann?«
»Das ist leicht zu beantworten«, erklärte Fidelma. »Romhar heißt heute Rua Mhuir, das Rote Meer, und Meann ist offensichtlich ein alter Name des Mittelmeers.«
Bruder Dathal lächelte über die Niederlage seines Gefährten.
»Sehr gut, Schwester. Wirklich ausgezeichnet«, lobte er.
Schließlich gab auch Bruder Adamrae nach und rang sich sogar ein Lächeln ab.
»Nicht jeder kennt die Geheimnisse der alten Texte«, sagte er. »Wir bemühen uns, sie zu entschlüsseln, Schwester.«
»So wie ich mich bemühe, der Wahrheit im Gesetz nachzuspüren«, antwortete Fidelma. »Wie ihr wißt, hat mich der Kapitän gebeten, einen Bericht zu verfassen, weil er nach dem Gesetz zum Schadenersatz verurteilt werden kann, wenn ihm Fahrlässigkeit nachzuweisen ist.«
»Das verstehen wir. Was möchtest du von uns erfahren?« fragte Bruder Dathal.
»Erstens, wann habt ihr Schwester Muirgel zuletzt gesehen?«
Bruder Dathal schaute seinen Gefährten hilflos an. Er zuckte die Achseln.
»Das weiß ich nicht mehr.«
Bruder Adamrae meinte: »War es nicht, als wir an Bord gingen?«
Bruder Dathal überlegte einen Moment.
»Ich glaube, du hast recht. Sie teilte uns die Kajüten zu. Danach ist sie uns nicht mehr begegnet. Es hieß, sie sei seekrank geworden und bleibe in ihrer Kajüte.«
»Und ihr beide habt sie nicht mehr gesehen?«
Sie schüttelten gleichzeitig den Kopf.
»Darf ich fragen, wo ihr während des Sturms letzte Nacht wart? Ich möchte nur genau wissen, ob niemand beobachtet hat, wie Schwester Muirgel während des Sturms an Deck ging.«
»Während der ganzen Zeit, als es so stürmte, waren wir hier drin«, erklärte Bruder Dathal. »Es war ein schlimmer Sturm, und wir konnten uns kaum auf den Beinen halten, geschweige denn im Schiff umherwandern.«
Bruder Adamrae nickte bestätigend.
»Wir verglichen ihn mit dem großen Sturm, der die Kinder Gaels auf ihrer Fahrt nach Gothia überfiel. Damals starben Eber, der Sohn von Tat, und Lamhghlas, der Sohn von Aghnon, und bald darauf erhoben sich die Meerjungfrauen aus der See und
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