08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
beruhigend.
»Ihr Kapitän hat bereits einen Fehler gemacht, vielleicht macht er noch einen. Es muß schon ein sehr guter Seemann sein, der besser segeln will als Murchad. Der weiß, was er seinem Namen schuldig ist.«
Fidelma erinnerte sich, daß Murchad »Seekämpfer« bedeutete.
Der Kapitän schritt jetzt hin und her und schlug mit der geballten Faust in die Fläche der anderen Hand. Seine Brauen waren gerunzelt, als suche er nach einer Lösung.
»Wende gegen den Wind!« schrie er plötzlich.
Gurvan fuhr zusammen, dann stemmten er und sein Gefährte sich gegen das Steuerruder.
Die »Ringelgans« drehte herum. Fidelma schwankte und mußte sich an der Reling festhalten. Einige Augenblicke verlor das große Schiff die Fahrt, dann schrie Murchad einen neuen Befehl zum Wenden.
Überrascht von Murchads plötzlichem Wechsel der Taktik mußte sich Fidelma erst nach dem anderen Schiff umsehen.
So fest hatte der gegnerische Kapitän darauf vertraut, seine Beute einzuholen und längsseit zu gehen, daß er mehrere kostbare Augenblicke brauchte, um zu erfassen, was Murchad vorhatte. Das leicht gebaute angelsächsische Kriegsschiff schoß unter vollen Segeln vor dem Wind fast eine Meile weiter, ehe die Segel gerefft waren und das Schiff auf den neuen Kurs der »Ringelgans« einschwenkte.
»Ein gelungenes Manöver«, sagte Fidelma zu Wenbrit, »aber gehen wir jetzt nicht gegen den Wind an? Kann uns der Angelsachse nicht trotzdem einholen?«
Wenbrit wies lächelnd auf den Himmel.
»Wir müssen zwar gegen den Wind segeln, aber der Angelsachse auch. Sieh, wie tief die Sonne am Horizont steht. Vor Einbruch der Nacht erreicht er uns nicht. Ich nehme an, Murchad will sich in der Nacht an ihm vorbeischleichen, vorausgesetzt, die Wolken bleiben und der Mond scheint nicht.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Haben wir den Wind in den Segeln, hat der leichtere und schnellere Angelsachse einen Geschwindigkeitsvorteil. Wir sind schwerer und unhandlicher. Kreuzen wir gegen den Wind, ist das anders. Die Wellen, die uns das Vorwärtskommen erschweren, behindern den Angelsachsen noch stärker. Wir können die hohen Wellen abreiten, während sie das leichtere Fahrzeug noch weiter nach Lee drücken, also haben die es schwerer, an uns heranzukommen.«
Murchad hatte die Erklärung des Jungen gehört und trat mit einem breiten Grinsen zu ihnen. Er schien mit seiner Segelkunst zufrieden und wirkte entspannter, seit das angelsächsische Schiff sich erneut herankämpfen mußte.
»Der Junge hat recht, Lady. Auch reicht unser Kiel tiefer als ihrer. Ein leichtes Schiff spürt jede Welle, während wir besser Kurs halten können, weil uns die unruhige Oberfläche weniger ausmacht. Gegen den Wind segeln wir besser als der Angelsachse.«
Murchad war wieder guter Laune.
»Der Angelsachse hat noch eine Weile zu tun, und inzwischen wird die Nacht anbrechen, und zwar, wie ich hoffe, mit schönen dicken Wolken. Dann steuern wir wieder nach Südsüdwest, und mit etwas Glück kommen wir im Schutz der Dunkelheit an ihnen vorbei.«
Fidelma blickte den stämmigen Seemann mit Bewunderung an. Wie gut Murchad sein Schiff kannte! Irgendwie erinnerte sie das an Roß und Reiter. Sie verstand auch, weshalb ihr dieser Vergleich in den Sinn kam. Murchad empfand für sein Schiff und die Elemente, die es bewegten, die See und den Wind, genau das gleiche, was ein guter Reiter für sein Pferd empfand. Er war eins mit ihm, als sei er mit ihm verwachsen.
Sie spähte zurück zu dem fernen Segelschiff.
»Dann sind wir also in Sicherheit?«
So absolut wollte sich Murchad nicht festlegen.
»Das hängt davon ab, ob ihr Kapitän besser vorausschaut als bisher. Er könnte damit rechnen, daß wir im Schutz der Dunkelheit den Kurs ändern, und dasselbe tun in der Hoffnung, uns im Morgengrauen wieder zu sichten. Ich schätze allerdings, er wird denken, wir kneifen und suchen Schutz in einem Hafen von Cornwall. Das ist die Richtung, in die wir jetzt segeln.«
»Dann ist also die Aufregung für den Augenblick vorbei?«
Murchad grinste.
»Die Aufregung ist vorbei«, bestätigte er. »Bis zum Tagesanbruch!«
K APITEL 13
Nach der Abendmahlzeit beschloß Fidelma, ihre Befragungen zu vervollständigen. Sie suchte die Brüder Dathal und Adamrae in ihrer Kajüte auf. Wie die anderen Kajüten unter Deck war diese dumpf und stickig, und die Laterne darin gab sowohl Hitze wie Licht ab. Nach der kühlen Brise an Deck wirkte es bedrückend hier.
»Was willst du von uns, Schwester?«
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