081 - Hexentanz
nicht wieder korrigieren ließ und diese Höllenkräfte anstatt zu bannen nur noch anstachelte.
Das Wesen da unten krümmte sich, aber die Bewegungen wurden matter.
Der Kommissar und ich beobachteten jede Phase.
Klauen streckten sich hilfesuchend in die Luft. Ein knochendürres Skelett ringelte sich auf dem feuchten Grund.
Mit einem Seufzen streckte sich das Wesen.
Noch einmal veränderte sich die Larve.
Das Fleisch fiel von den Knochen. Was aussah wie Blanche Morgan, verschwand spurlos, löste sich auf, zerfiel zu Staub.
Der erschreckende Vorgang ließ mich um die Studentin bangen. Wieweit war sie in die magischen Machenschaften der Orientalin verstrickt? Starb in dieser Sekunde auch Blanche Morgan? Ereilte sie das gleiche Schicksal wie ihrer unerbittlichen Gebieterin, die Dschinn?
Noch einmal dehnten sich fleischlose Kiefer. Der Totenschädel stieß einen entsetzlichen Schrei aus. Mit der Stimme des Mädchens!
Ich war einer Ohnmacht nahe.
Ungläubig beobachtete ich, wie die Knochen zerfielen, sich auflösten, den Zustand annahmen, den man bei einem Skelett erwartete, das so lange Jahre in der Tiefe des Hausfundamentes geruht hatte. Bis ich es an das Licht gezerrt hatte, um den Spuk zu beenden.
Ich erkannte ein Medaillon, das gespenstisch um einen nackten Halswirbel schlotterte, gehalten von einer dünnen goldenen Kette, bedeckt mit arabischen Schriftzeichen.
Ich nahm die Spitzhacke.
»Was haben Sie vor?« fragte Breton verständnislos.
»Die Gefahr ist gebannt, nicht wahr? Warum soll ich die sterblichen Überreste nicht bergen? Fatima hat trotz allem ein Grab verdient.«
»Nicht jetzt«, schüttelte der Kommissar den Kopf.
Und die Ereignisse gaben ihm recht.
Über uns ertönte ein höllisches Gelächter...
***
Wir rasten nach oben, rannten in den Schankraum. Die Tür stand sperrangelweit auf. Ich schrie nach Claire Clouet.
Niemand antwortete.
»Da ist sie?« meldete Breton, »Ihr nach. Schnell, Monsieur Douglas!«
Er rannte aus dem Haus.
Ich folgte ihm auf dem Fuße.
Über die Steinbrücke, die unweit des Hotels die Semois überspannte in einem flachen Bogen, rannte eine einsame Gestalt. Ein weiter Mantel oder Umhang flatterte im Nachtwind. Der Mond erhellte die gespenstische Szene.
»Das ist Madame Clouet«. brüllte ich.
»Ziemlich rüstig für ihr Alter«, brummte der Kommissar und setze sich in Trab. Ich mußte ihm wohl oder übel folgen. Außerdem interessierte mich, was die Alte mitten in der Nacht dort drüben, im Schatten der Burg, die hoch über Bouillon auf einer Anhöhe stand, suchte.
Ich bin nicht ungelenkig, aber auch nicht besonders sportlich. Wenn ich etwas hasse, so sind das nächtliche Dauerläufe von einer unbestimmten Länge. Ich geriet schnell außer Atem.
Breton hängte mich glatt ab.
Der Kommissar vermochte allerdings nicht den Vorsprung zu verkürzen. den die alte Frau gewonnen hatte.
Madame Clouet lief mit einer Geschwindigkeit, die nicht mit natürlichen Dingen zugehen konnte, die Straße entlang, bog von der Brücke in eine Häuserzeile, die entlang des Flusses sich hinzog.
Mondlicht geisterte über gezackte Giebel, Kamine, tote Fenster. Antennen ragten wie Geisterfinger in den Himmel.
Woher nahm die alte Dame diese Kraft, diese Ausdauer?
Ich hatte Claire Clouet als gebrechliche Greisin kennengelernt. Jetzt rannte sie wie ein junges Mädchen. Wer in diesem Ort war wirklich er selbst? Wer nahm nicht teil an dieser schaurigen Maskerade voller Überraschungen und unerwarteten Entwicklungen?
Ich hatte in wenigen Tagen mehr an Übernatürlichem schlucken müssen, als viele Menschen in einem ganzen Leben. Und ich hatte nicht gerade die besten Voraussetzungen mitgebracht. Über das Lesen von Horoskopen und die Ungewißheit, ob Sterne unser Geschick beeinflußten, Karten die Wahrheit sagten und Pendel und Kaffeesatz verläßlich die Zukunft erkennen ließen, war ich nie hinausgekommen. Eine gewisse Bereitschaft unbekannte Gebiete zu betreten, lebte seit langem in mir. Ein Gemisch aus Neugier, Unbehagen, Angst und Aufgeschlossenheit gegenüber einer unbekannten Dimension, konnte ich nicht leugnen. Die Welt jenseits der Welt schien voller Abenteuer. Aber auch voller Gefahren. Und auf die Dauer konnte ich den Kontakt nicht ertragen. Ich wünschte ein Ende herbei. Mich hielt nur noch die Angst um Blanche Morgan bei der Stange.
Denn in Richtung auf deren Haus lief die Alte. Ein Zweifel war ausgeschlossen. Die Villa des Bürgermeisters ragte vor uns auf, und Claire
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