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081 - Hexentanz

081 - Hexentanz

Titel: 081 - Hexentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank deLorca
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eines Walfängers stand ich über der Öffnung, meine primitive, dem Hörensagen nach so wirkungsvolle Waffe, hoch erhoben, bereit, mit aller Kraft zuzustoßen und das Ungeheuer zu pfählen.
    Es war, als ahne das Gespenst meine Absicht. Die Züge der Blanche Morgan, die mir vertraut, aber gleichzeitig entstellt, entgegengrinsten, verrieten Furcht, Panik und gleichzeitig Rachedurst sondergleichen.
    Das knochenklappernde Gestell zog sich zurück, drückte sich winselnd in eine Ecke wie ein Hund und starrte mich aus blauen Kulleraugen an, die mich bereits vor Tagen gefangengenommen hatten.
    »Blanche!« flüstere ich verzückt.
    Zwei Raffzähne bleckten mir entgegen.
    Die Augen in dem fahlen Gesicht glühten. Weite Gewänder wallten um einen durchschimmernden Knochenbau ohne einen Fetzen Fleisch. Es war, als seien nur Hände und Kopf erhalten geblieben, alles andere vor der Zeit in Verwesung übergegangen.
    Ich spürte, wie der Blick der Dschinn Gewalt über mich gewann. Ich durfte nicht mehr zögern, sonst geriet ich den Teufelskreis dieser rätselhaften Metamorphosen, die Fatima durchlief, seit wir geglaubt hatten, mit dem Tode des unglücklichen Armand sei alles ausgestanden und vergessen.
    Ich schwankte.
    »Geben Sie her«, schrie Breton, der meine Lage bemerkte.
    »Es geht nicht«, rief ich verzweifelt. »Sie kommt nicht nah genug. Sie ahnt die Gefahr und weicht aus.«
    »Kunststück«, brummte der Kommissar.
    Ich bekam Bedenken. Meine Angst, einen Fehler zu begehen, wuchs. Was, wenn ich zustieß und traf, und im gleichen Augenblick starb – ein paar tausend Schritte, entfernt – Blanche Morgan tatsächlich? Vielleicht schlug mir der arabische Geist nur ein Schnippchen? Oder waren das bereits die Hirngespinste, die mir diese teuflisch hübschen Augen der Studentin suggerierten. Was sollte ich wirklich tun?
    »Nun geben Sie schon her«, drängte Breton. »Wie lange wollen Sie hier noch stehen? Wer weiß, was geschieht, wenn wir uns nicht beeilen? Vielleicht verschwindet der Dschinn und gibt uns das Nachsehen.«
    Er zerrte an dem Holzpflock, den ich noch immer in den Händen hielt. Ich schrie auf. Ein langer Splitter steckte in meinem Fleisch.
    Der Kommissar scherte sich nicht darum. Er stellte sich in Positur.
    »Komm her!«, reizte er die Unbekannte. »Ich habe eine Medizin für dich, die dich kurieren wird!«
    Der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen. Breit und dunkel endete der Holzspan, der in meinen Handteller geraten war, unter der Haut. Ich packte ihn vorsichtig und riß ihn mit einem Ruck heraus.
    Natürlich ging das nicht ohne Schmerzen ab. Blut schoß in dicken Tropfen aus der Wunde. Ich suchte daher nach meinem Taschentuch, um mir einen Notverband anzulegen.
    Ich konnte nicht verhindern, daß ein paar Blutstropfen auf die Erde fielen, in die Höhle hinein und an deren Rand. Ich kümmerte mich auch nicht darum. Ich hatte andere Sorgen.
    Aber der Zufall rettete uns.
    Kaum erblickte das Scheusal in der Maske der Blanche Morgan den frischen Lebenssaft, der sich auf dem grauen Stein im Lichte unserer Lampe deutlich abhob, da kam es aus der sicheren Ecke.
    Kreischend stürzte sich die Chimäre auf die flüssige Nahrung.
    Sie gierte nach mehr.
    Rote Lippen klafften, zeigten entsetzliche Hauer, die bis auf die Unterlippe reichten und den Mund verzogen. Augen glühten im Feuer des Wahnsinns. Spitze Klauen angelten nach uns.
    Die Hand aus dem Grab erwischte das Hosenbein des Kommissars.
    Breton aber behielt die Ruhe. Breitbeinig blieb er stehen und visierte das Wild an. Dann schoß sein Oberkörper nach vorn. Die Arme gaben dem Holzpflock Schwung. Der Pfosten fiel in die Tiefe wie ein Fallbeil.
    Ich hörte das Reißen von Stoff, das Knirschen von Knochen.
    Ich kniete nieder und versuchte einen Blick auf das grausige Geschehen zu werfen. Ich spähte durch die Lücke im Steinfußboden.
    Auf dem Grunde der Grabkammer wälzte sich der Dschinn – oder wen immer wir bekämpft hatten.
    Winselnd, heulend, schreiend erlitt das Wesen das, was jedem Menschen beschieden ist: den Tod. Oder konnte man bei dieser Teufelskreatur nicht davon reden? War diese Dschinn unsterblich? Eine Wanderin zwischen den Welten, die sich nur Menschen als Träger ihrer Seele aussuchte, in ihren Körper schlüpfte, der ihr nicht mehr bedeutete als dem Schmetterling ein Kokon? Ich konnte diese Fragen nicht entscheiden. Ich war kein Experte. Ich konnte nur hoffen, daß ich heil über die Runden kam und keinen Fehler beging. Nichts, was sich

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