081 - Lady Frankenstein
auch
selbst anstellen und experimentieren magst, es liegt nicht in meinem Sinn, und
es kann dich vernichten, kann dein Leben auslöschen, verstehst du?“
Während sie
das sagte, gab sie dem bereitstehenden Ramos ein Zeichen
und zischte: „Schaff ihn mir aus den Augen, Bastian!“
Der
Hypnotisierte warf sich sofort nach vorn. Carmen Mojales wußte vom ersten Augenblick an, daß Ramos so gut wie nichts gegen diesen
Fleischkoloß würde ausrichten. Es war eine Begegnung wie zwischen David und
Goliath, wobei der Ausgang des ungleichen Kampfes in die erste Sekunde fiel.
Doch die Spanierin hoffte, mit Ramos’ Aktion Luft zu gewinnen und mit einem
Trick die Situation für sich zu entscheiden.
Bastian Ramos
prallte wie ein Gummiball gegen den Unheimlichen. Blitzschnell machte Carmen Mojales eine Drehung und griff nach dem Skalpell.
Da holte
Marco schon aus. Er hob Ramos vom Boden und warf ihn einfach wie einen
belanglosen Gegenstand durch die Luft. Ein Gestell zerbrach unter der Wucht des
ankommenden Körpers. Ramos landete mit dumpfem Aufschlag in einer Ecke und
rührte sich nicht mehr.
Ehe Carmen Mojales mit dem Skalpell auf das Monster losgehen konnte,
hielt Marco schon das schlanke, zerbrechliche Armgelenk seiner hübschen
Schöpferin umfaßt und drückte und drehte solange, bis das Skalpell ihren
zitternden, sich öffnenden Fingern entglitt.
Keuchend
betrachtete sie ihr Handgelenk, das der Unheimliche losließ.
Er brummte
und stieß gefährlich klingende Laute aus.
„Ich gebe
dir, was du brauchst. In Ordnung.“ Sie wirkte nicht mehr so überlegen wie zu
Beginn der Begegnung.
Iwan
Kunaritschew und Larry Brent bekamen die Szene wie auf einer Filmleinwand mit.
Sie nutzten beide die Zeit, die ihnen durch diese unerwartete Situation
geschenkt wurde. Der Russe hatte bei seinen Befreiungsversuchen etwas mehr
Glück als Larry. Ein Gurt war nicht so straff angezogen und nicht von so guter
Qualität wie die anderen. Schon spürte X-RAY-7 mehr Luft zwischen einem
Handgelenk und dem Leder.
„Aber laß
dich nie wieder hier sehen! Und ich habe dein Versprechen, daß du Maria-Rosa
sofort auf freien Fuß setzt, sobald du zurück bist, daß ich sie gesund und
unverletzt in diesem Haus erwarten kann?“ Carmen Mojales ’
Stimme füllte das unterirdische Labor.
Marco brummte
unartikuliert vor sich hin. Es klang wie Zustimmung.
„Aber er wird
sich nicht daran halten“, sagte im gleichen Augenblick eine brüchige, alte
Stimme vom Eingang her.
Marco wirbelte
mit heiserem Fauchen herum und nahm sofort Angriffsstellung ein.
Carmen Mojales gab einen leisen Aufschrei von sich, und ihre Augen
wurden groß, ungläubiges Erstaunen stand darin zu lesen.
„Frankenstein?“
murmelte sie mit schwacher Stimme.
●
Der Mann, der
sich von dem dunklen Durchlaß löste, war uralt.
Sein graues
Haar war dünn, sein Gesicht eine einzige Faltenlandschaft, unter den Augen
große Tränensäcke. Die schmalen Lippen waren blutleer. Die Augen in dem
zerknitterten Gesicht jedoch blickten frisch und klar.
„Ich fühle
mich geehrt, daß du mich erkannt hast, meine Liebe.“
Carmen Mojales schien es noch nicht zu fassen. Sie preßte die
Hände vor beide Augen und löste sie 'wieder davon.
Der Mann mit
der entsicherten Pistole in der Hand aber blieb Wirklichkeit.
„Victor von
Frankenstein!“ Der Name löste sich wie schwerfällige Tropfen von den bleichen
Lippen der entsetzten Spanierin.
„Victor von
Frankenstein?“ erklang nun auch Larry Brents Stimme. Erlebte er hier ein Spiel
mit makabrem Hintergrund, machte er einen Alptraum durch - oder nahm er an der
Wirklichkeit teil? „Wie kann eine Romanfigur zum Leben erwachen?“
Der alte Mann
lachte leise. Es war etwas in seiner Haltung, was noch erstaunlich jugendlich
und elastisch wirkte und nicht so recht zu seinem Aussehen paßte.
„Victor von
Frankenstein ist bekannt als eine Romanfigur Mary Shelleys. Richtig, junger
Mann! Aber was damals., an jenem trüben Novemberabend
1816 geschah, war nicht die Erfindung einer jungen Frau, die mit ihren Freunden
vereinbart hatte, Horror- und Gruselgeschichten zu schreiben. Mary Shelley
kannte zu diesem Zeitpunkt sehr genau die Forschungen eines gewissen Erasmus
Darwin, der sich gleich mir mit der Erzeugung künstlichen Lebens befaßte.
Darwin brachte mich mit Mary Shelley zusammen. Wir sprachen nächtelang über das
Problem des künstlichen Lebens, über die Möglichkeit der Alchimie und der
Magie, die großen Einfluß auf die
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