0815 - Die Schlangenschwester
angetan, sie milder zu stimmen.
Andrew zog die Augenbrauen hoch. »Nimm es mir nicht übel«, bat er. »Jedenfalls hat Sid mich auf die unsichtbare Burg seines Bruders Merlin geführt.«
»Caermardhin«, nickte Zamorra. »Es wundert mich nach wie vor, dass sich Sid Amos als der Gehilfe seines Bruders missbrauchen lässt. Handlangeroder Botendienste entsprechen nicht gerade seinem doch sehr selbstgefälligen Naturell.«
»Die ganze Angelegenheit ist ihm persönlich wichtig, Zamorra«, erklärte Andrew. »Merlin hat mich nicht aus Jux und Tollerei zu sich geholt. Er hat einen Auftrag für mich.«
»Das kennen wir allerdings zur Genüge«, pflichtete Nicole ihm bei. »Im Aufträge-Vergeben ist Merlin ganz groß.«
Mehr als einmal waren Zamorra und Nicole mit Merlin aneinander geraten, weil sie sich wie Sklaven behandelt fühlten oder wie Lakaien, die für den Magier die Kohlen aus dem Feuer holen mussten…
»Auch von euren Differenzen habe ich schon gehört.« Millings schüttelte den Kopf. »Manches ist in der Vergangenheit durchaus unglücklich gelaufen.«
»Das soll dich nicht belasten«, unterbrach Zamorra.
»Jedenfalls hat Merlin mir einiges berichtet, das mich unmittelbar betrifft«, fuhr Andrew fort. »Mich ebenso wie euch beide. Es geht um das, was uns verbindet. Ihr habt aus der Quelle des Lebens getrunken, und ich ebenfalls. Deshalb sind wir alle drei relativ unsterblich.«
Millings unterbrach seinen Bericht, als Mostache ein weiteres Glas und eine Flasche Rotwein brachte. »Guter Jahrgang«, pries er dabei überschwänglich an. »Für meine Gäste vom Château nur das Beste!«
Zamorra bedankte sich, und der Wirt zog sich wieder zurück.
»Während ihr - oder besser gesagt: Zamorra - erst vor einigen Jahren zur Quelle gegangen seid…«
»Na ja, soooo kurz ist es auch noch nicht her«, dehnte Nicole.
»…ist es bei mir nahezu 800 Jahre her«, fuhr Andrew ungerührt fort. »Aber über die reine Tatsache hinaus, dass wir vom Wasser der Quelle getrunken haben, verbindet uns noch mehr. Wir gehören zu denen, die vom Erbfolger nicht so problemlos zur Quelle geführt wurden wie die anderen.«
Ein schmerzhafter Stich zuckte durch Zamorras Brust. »Du meinst…«
»In unserer Generation gab es jeweils mehrere Aus erwählte. Und das Gesetz ist diesbezüglich verdammt hart.«
»Nur einer darf vom Wasser trinken und relative Unsterblichkeit erlangen«, murmelte Zamorra und dachte daran zurück, wie er vor der härtesten Entscheidung seines Lebens gestanden hatte…
***
Nach dem Gesetz der Quelle muss ich Torre Gerret töten
Torre Gerret
Ebenso wie ich ein Auserwählter
Der potentiellen Zugang zur Quelle hat
So hat es mir Lord Saris ap Llewellyn offenbart
Der Erbfolger der seit Tausenden von Jahren die Auserwählten zur Quelle führt
Und in meiner Generation gibt es zwei Auserwählte
Zwei
Gerret und mich
Und es kann nur einen geben Nur einer darf zur Quelle und trinken
Der der den anderen tötet
Tötet
Tötet
Verdammt ich bin kein Killer
Und ich werde nicht töten um ewig zu leben
Nein
Ich weigere mich
Doch dann wird Gerret mich umbringen
Eiskalt
Ohne mit der Wimper zu zucken
Es muss einen Ausweg geben
Verdammt
…
Ich habe den Ausweg sozusagen gefunden
Gerret ist nicht mehr hier
Doch ich bin nicht sein Mörder geworden
Ich habe ihn besiegt
Aber mich geweigert ihn zu töten
Ich kann den Weg zur Quelle gehen
Doch verdammt noch mal
Ich werde nicht trinken
Nicht trinken
Nicht unsterblich werden
Nicht ohne Nicole
Nein
Nein
Nein!
Ich will nicht ewig jung sein wenn Nicole alt wird und stirbt
Und ich zusehen muss
Ich weigere mich
…
Die Hüterin der Quelle ist erzürnt
ERZÜRNT
Sie wacht über das Gesetz
Und sie tobte schon
Als ich Gerret am Leben ließ
Doch ich trickse sie zum zweiten Mal aus
Und nehme Wasser aus der Quelle mit
Und gebe es Nicole
Und wir trinken beide
Beide sind wir relativ unsterblich
Und die Hüterin tobt
***
»Wir hatten beide Rivalen auf dem Weg zur Unsterblichkeit, und wir haben sie beide…«, Millings stockte, »aus dem Weg geräumt.« Ein Schleier überzog seine eisgrauen Augen, als er nach diesen Worten ins Leere blickte.
Zamorra hakte nicht nach. Er wusste genau, dass es für Andrew zu schmerzhaft sein würde. Zamorra hatte seinen Konkurrenten Torre Gerret nicht getötet, sondern ihn am Leben gelassen, nachdem er ihn besiegt hatte. Die Hüterin der Quelle hatte das akzeptieren müssen, ebenso wie seinen zweiten Trick - er hatte
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