0821 - Grauen aus dem Meer
schaust du dir gefälligst nicht so genau an. Ist nicht jugendfrei«, behauptete sie. »Und du, April, zieh das Gelumpe wieder hoch. Wir wollen deine unästhetischen blauen Flecken nicht sehen.«
»Ich meinte Shado«, maulte April.
»Ist wirklich nicht nötig«, wehrte der Yolngu ab, dem die Sache etwas unangenehm war. »Ich glaube es dir auch so.«
April drängte ihn in einen der Sessel und landete prompt auf seinem Schoss. Sie schmiegte sich an ihn.
»Ja, das junge Liebesglück«, lästerte Nicole. »Und mich knutscht keiner?«
»Ich«, versprach Zamorra. »Aber später und viel besser.«
»Angeber.«
Abdallah war bereits verschwunden. Stattdessen betrat Daniel Löwengrub den Raum. Der jüdische Israeli, mit dem Araber ein Herz und eine Seele und gemeinsamer Schrecken aller Hafenspelunken diesseits und jenseits des Äquators, balancierte ein Tablett mit Gläsern und einem Eiskübel, in dem eine Flasche Champagner darauf wartete, geöffnet und entleert zu werden. Wortlos setzte Löwengrub das Tablett auf einen kleinen Rundtisch mit handgeschnitzten Jagdmotiven in der Platte, sah kopfschüttelnd zu seiner Chefin und verschwand dann wieder.
»Was ist eigentlich passiert?«, fragte Zamorra und begann mit dem Ritual des Flaschenöffnens. »Ich meine, wegen der blauen Flecken und auch der ausgefahrenen Laserkanönchen im Bug.«
»Oh, hat Munro vergessen, die wieder einzuklappen? Der vergisst doch sonst nichts«, sagte April. Sie schien sich bei ihrem eher einseitigen Techtelmechtel mit Shado gestört zu fühlen.
»Was war denn nun?«, drängte Zamorra.
April löste sich etwas widerwillig von Shado, der erleichtert aufatmete, und erzählte von ihrem Unterwassererlebnis.
»Was hattet ihr überhaupt da unten zu tun?«, wollte Nicole wissen.
»Ach, ich wollte mich nur mal ein bisschen umsehen und orientieren. Offenbar haben wir dieses Weltentor tatsächlich gefunden, nicht wahr? Das erspart euch doch schon mal langes Suchen.«
»Wir lieben Leute, die mitdenken«, stellte Zamorra trocken fest. Der Korken knallte gegen die Decke, der Champagner schäumte aus dem Flaschenhals. Zamorra bemühte sich, rasch einzuschenken, ehe zu viel von dem teuren Getränk verschüttet wurde.
Sie tranken sich zu.
April wandte sich wieder Shado zu. »Dass Zamorra Dämonen in anderen Welten hetzt, ist ja allgemein bekannt. Aber wie kommst du ins Spiel?«
Jetzt war der-Yolngu mit seinem Bericht an der Reihe. Die anderen lauschten. Was Shado zu berichten hatte, war auch für die beiden Franzosen noch teilweise neu. In der Wohnung hatte der Aborigine nur eine Kurzversion erzählt, und im Taxi hatte er wohlweislich gar nicht darüber geredet.
Aber sein jetziger Bericht brachte auch nicht viel Neues. Zumindest nichts, was Zamorra verwertbar schien.
Er seufzte. »Wir werden also hindurch müssen, um uns jenseits des Tores umzusehen.«
»Würde ich nicht machen«, warnte April. »Wenn ich daran denke, dass unsere Sonde als eine Art Bombe zurückkam… eine Bombe, die Zamorra heißt, möchte ich lieber nicht erleben.«
»Die Sonde war ein toter, programmierter Gegenstand, nicht wahr? Ich bin aber ein lebender Mensch. Ich kann einer Attacke ausweichen, was die Sonde nicht konnte, weil ihr Kurs festgelegt und unabänderlich war.«
»Ihr redet hier immer nur von dir, Chef«, warf Nicole ein. »Kommt von euch vielleicht auch mal jemand auf die Idee, dass ich mit dabei sein werde?«
»Ich brauche dich hier, als Rückendeckung«, wehrte Zamorra ab. »Wenn mir etwas zustößt, musst du mich herausholen.«
»Das kann doch auch Shado tun.«
»Das werden wir beide nicht können«, sagte der Yolngu. »Immerhin sind wir wie Zamorra Menschen. Geht der eine Mensch in die Dämonenfalle, gehen auch die anderen hinein. Nein, wir müssen uns als Absicherung etwas anderes einfallen lassen. Aber was? Ich habe keine Idee.«
»Der Regenbogenmann«, überlegte Zamorra. »Kann er dir nicht helfen?«
Der Aborigine schüttelte stumm den Kopf.
»Habt ihr überhaupt Tauchanzüge an Bord, die diese Tiefe aushalten?«, wollte Zamorra weiter wissen. »Oder-Tauchglocken, oder sonst was in der Art?«
April verzog das Gesicht. »Eigentlich nicht. Aber Captain Munro könnte uns bis an das Weltentor heran manövrieren, so präzise, dass wir mit der Schleuse direkt andocken. Dann könnt ihr hinüber. Wie es jenseits des Tores aussieht, wissen wir aber natürlich nicht.«
»Ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass dieser Dämon, dessen Namen wir noch nicht
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