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0826 - Der knöcherne Hexer

0826 - Der knöcherne Hexer

Titel: 0826 - Der knöcherne Hexer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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stieg ein Mann die Stufen hinauf, der um Jahre gealtert war. Das Gesicht gerötet und zerfurcht, die Lippen zitternd. Immer wieder leckte er den Speichel aus den Mundwinkeln. Er legte unterwegs Pausen ein, umklammerte das Geländer, beugte sich darüber hinweg, schaute in die Tiefe und erschauerte vor diesem Blick. Aber er ging weiter, kämpfte sich in die Höhe und hatte es schließlich geschafft, die Plattform zu erreichen, die er als seinen Arbeitsplatz ansah. Dort standen die vier großen Scheinwerfer und waren offiziell außer Betrieb, denn man hatte ihnen den Strom genommen.
    Mullion konnte sich noch genau an den Tag erinnern. Er zählte ihn zu den schwärzesten in seinem Leben. Er hatte dabei gestanden und mit den Tränen gekämpft. Der Vergleich einer an ihm vorgenommenen Operation war ihm in den Sinn gekommen.
    Er hatte dann seinen Dienst quittiert, lebte von den Ersparnissen und kleinen Gelegenheitsarbeiten. Und er hatte sich gerächt. In mühevoller Kleinarbeit hatte er es geschafft, den Scheinwerfern wieder Saft zu geben.
    Sie hatten zwar nicht mehr die Strahlkraft wie damals, aber das Licht reichte aus, um über die Wasserfläche tief unten hinwegzugleiten und Scott das Gefühl zu geben, dass alles so war wie früher.
    Natürlich durfte er nicht leuchten. Hin und wieder aber tat er es doch, bisher war es nicht aufgefallen.
    Es war ein großer, runder Raum. Die vier drehbaren Scheinwerfer standen mit den Rücken zueinander. Mit ihren leeren Augen glotzten sie durch die Glasfenster, als wollten sie für alle Zeiten hinaus auf das wogende Meer schauen.
    Auch Scott Mullion schaute auf das Wasser. Minutenlang starrte er in die Tiefe, als wollte er bis auf den Grund des Meeres schauen. Er dachte dabei an die Geheimnisse, die die See verbarg, an das Geisterschiff, das irgendwann gesunken war und bereits seit Hunderten von Jahren auf dem Grund lag.
    Er nickte sich selbst zu. Nicht alles war endgültig tot, was dort seinen Platz gefunden hatte. Es gab noch Leben, er hatte es selbst erlebt, aber von diesem Leben sollte niemand etwas wissen. Die übrige Wellt sollte nichts davon erfahren, es wussten sowieso schon zu viele Menschen Bescheid.
    Das Wasser wogte tief unter ihm. An manchen Stellen war es sehr klar, dann wiederum sorgten gegeneinander klatschende Wellen für quirlige Schaumberge, die eine Sicht einfach unmöglich machten.
    Er biss sich auf die Lippe.
    Etwas lauerte in der Nähe. Er wusste es sehr deutlich. Es war geweckt worden, und es hätte eigentlich tief im Wasser verborgen bleiben müssen.
    Er spürte genau die Ausstrahlung. Sein Hals verengte sich, der Atem brannte in der Kehle, und das Wasser sah plötzlich aus wie ein geheimnisvoller Spiegel, der irgendwie beschlagen war. Er reflektierte ein Bild, das Scott als Original nicht sehen konnte, das allerdings innerhalb des Wassers schwamm.
    Es war ein Schiff.
    Zerstört, mit zerfetzten Segeln.
    Leichen lagen an Deck.
    Und im Hintergrund stand unheimlich und drohend ein großes Skelett, das ihn angrinste.
    Scott Mullion begann zu zittern…
    ***
    In Coverack waren wir auf eine Mauer des Schweigens gestoßen.
    Angeblich wusste niemand, wo sich Scott aufhielt. Das Heben der Schultern und die leeren Blicke widerten mich an. Am liebsten hätte ich einen Knüppel genommen, um die Wahrheit aus den Köpfen der Männer herauszuprügeln, aber ich behielt die Nerven.
    Es interessierte die Leute auch nicht, dass es um Leben und Tod ging, sie glaubten uns nicht, sodass wir die Gaststätte schließlich verließen und beide sehr sauer waren.
    »Diese Typen hier sollte man einzeln und dann der Reihe nach durchwalken«, sagte Swenja.
    »Stimmt.«
    »Wir haben nur Zeit verloren.«
    »Eine Chance bleibt uns.«
    »Wieso?«
    Ich kam nicht mehr dazu, die Antwort zu geben, weil ich ein zischendes Geräusch gehört hatte. Beide drehten wir uns um. Hinter einem abgestellten Wagen erschien eine Frau. Sie nickte uns kurz zu, schaute sich um und sagte nur zwei Worte.
    »Der Leuchtturm!«
    Swenja stieß mich an. »John, das ist…«
    »Ich wollte es schon vorher sagen.«
    Bedanken konnten wir uns bei der Frau nicht mehr, denn sie ging einfach davon.
    Swenja ballte die Hände zu Fäusten. »Warum sind wir nicht gleich darauf gekommen?«
    »Es wird hoffentlich nicht zu spät sein.«
    »Nehmen wir Ihren Wagen?«
    »Sicher.«
    Der Turm lag zwar nicht zu weit vom Ort entfernt, wir aber hatten keine Zeit zu verschenken, denn der unheimliche Killer – das Skelett – konnte

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