0826 - Der knöcherne Hexer
jede Serie, und die Figuren auf der Mattscheibe waren ihr vertrauter als der Ehemann.
Nie mehr würde sie davor sitzen – nie mehr!
Er schluchzte wieder, als er daran dachte. Der Wind riss den feineren Sand in die Höhe und warf ihn gegen das Gesicht und den Körper des Mannes.
Wie selten zuvor war er über die flache Ebene an den Felsen entlanggehetzt, um sein Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Er drehte sich nicht einmal um, als hätte er mit dem anderen Leben abgeschlossen.
Dabei wusste er genau, dass der Killer noch existierte. Er hatte es immer gewusst, er war der einzige richtige Zeuge. Von seinem Leuchtturm aus hatte er über das Meer schauen können, und er wusste auch, was die Tiefe dort verbarg.
Schrecken und Tod…
Beide hatten Gestalt angenommen. Er kannte den Killer, er kannte das Geheimnis der Knochen, der toten und verlorenen Seelen die einfach keine Ruhe fanden. Der alte Mann hatte ihn darüber aufgeklärt, aber er hatte es damals nicht wahrhaben wollen.
Jetzt war es zu spät.
Scott Mullion geriet in den Schatten des Leuchtturms, der sich auf dem Boden abzeichnete. Seine Schritte waren kürzer geworden. Der Atem drang nur mehr keuchend über seine Lippen. Die Anstrengung machte ihm zu schaffen, und manchmal verschwammen die ansonsten festen Konturen vor seinen Augen.
Er konnte keine Pause einlegen. Die wenigen Yards schaffte er noch bis zum Eingang.
Mullion fiel gegen die massive Tür. Das Holz war längst ausgebleicht. Das Schloss existierte noch, und den Schlüssel trug er immer bei sich.
Der Mann war dermaßen erregt und zittrig, dass der Schlüssel beim ersten Versuch nicht ins Loch glitt und neben dem Schloss gegen das Holz stieß und dann abrutschte. Scott selbst fiel gegen die Tür, unternahm einen zweiten Versuch und schaffte es erst beim dritten, den Schlüssel in das Schloss einzuführen. Er drehte in zweimal, dann konnte er die Tür aufstoßen und schaute, bevor er den Turm betrat, zurück.
Leer lag das Gelände vor ihm.
Er sah keinen Verfolger, keinen Killer, kein Skelett, das ihm auf den Fersen gewesen wäre. Trotzdem fühlte sich Scott Mullion nicht befreit. Der Knochenmann war bei ihm gewesen. Er war in sein Haus eingedrungen und hatte Rosa getötet.
Warum?
Als Ersatz für ihn?
Das konnte er sich nicht vorstellen, denn dann wäre er außer jeder Gefahr gewesen. Also musste er damit rechnen, dass ihm der Knöcherne ebenfalls auf den Fersen war. Er hatte sich an Rosa gehalten, weil er nicht im Haus gewesen war.
Scott Mullion lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Diese Stütze tat ihm, dem Erschöpften, gut. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und rutschte langsam an der Wand hinab. Seine Knie knickten ein, dann saß er plötzlich in der Hocke, die Beine angezogen, den Mund weit offen, und holte Luft. Er wischte die Tränen aus seinen Augen und fuhr mit den Handflächen über das Gesicht. Die Haut war eiskalt. Es lag nicht nur am eisigen Wind, auch eine innere Kälte war in ihm hochgestiegen. So wie er musste sich eine Leiche fühlen, falls das überhaupt möglich war.
In seiner Umgebung hatte er sich immer wohl gefühlt. Das war auch jetzt der Fall, obwohl er es mit früheren Besuchen nicht vergleichen konnte. Nachdem der Leuchtturm stillgelegt worden war, hatte man die Generatoren demontiert und die großen Regale nahe der Tür abgebaut, aber die eiserne Wendeltreppe war geblieben.
In den neuen Türmen fuhr der Wächter mit einem Lift zu seinem luftigen Arbeitsplatz. Wenn Mullion die hinter Glas stehenden Scheinwerfer erreichen wollte, musste er zu Fuß gehen.
Viele Stufen waren es in die Höhe. Das kostete Energie, die er noch nicht aufbringen konnte.
Auch im unteren Teil gab es Fenster. Allerdings mehr Luken, die ziemlich hoch lagen, sodass Mullion sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um hinauszuschauen.
Er blickte den Weg zurück, den er gelaufen war. Da war nichts zu sehen.
Es gab keinen Verfolger, der sich auf seine Spur gesetzt hatte, und das beruhigte ihn einigermaßen.
Scott wandte sich wieder ab und blieb vor der ersten Stufe der Treppe stehen. Den Kopf legte er in den Nacken und schaute hoch.
Der Weg, den er früher so oft gegangen war, kam ihm plötzlich fremd vor. Er überlegte, ob er verschwinden und sich im Ort verstecken sollte. Doch das hätte keinen Sinn gehabt, denn das Skelett hätte ihn immer und überall gefunden. So gut konnte er sich nicht verstecken.
Also ging er hoch.
Nicht so locker wie früher. Hier
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