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0833 - Verfluchte der See

0833 - Verfluchte der See

Titel: 0833 - Verfluchte der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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einen Schwall kreatürlicher Angst durch ihren Körper fluten. Sie bekreuzigte sich mit zitternder Hand.
    ***
    Spätabends, nachdem sie den unglaublichen Vorgang einigermaßen verkraftet hatten, führte JJ seine Kommilitonen noch ins Bierlokal »Kleines Versteck« in der Mühlenstraße.
    »Was sollen wir jetzt noch in der Kirche?«, fragte Roger verblüfft, als sie auf ein turmbestandenes, in gotischem Stil erbautes Gotteshaus aus rotem Backstein zumarschierten. »Um göttlichen Beistand gegen den teuflischen Piratenkapitän beten?«
    »Keine schlechte Idee«, gab JJ zurück. »Aber das ist längst keine Kirche mehr. Seit 1976 dient sie dem ›Kleinen Versteck‹ als Kulisse.«
    In der Tat betraten die drei ein gemütliches Bierlokal, als sie die Pforte passierten. An einem Ecktisch, bei viel Bier und einigen »Hintenhochs«, einer Kräuterlikörspezialität des Hauses, diskutierten sie sich die Köpfe heiß. Hatten sie das Plankenstück nicht gehabt, das nach wie vor neben dem seltsamen Grabstein in der ehemaligen Pferdebox stand, sie hätten an eine Massensuggestion oder etwas Ähnliches geglaubt. Sie einigten sich schließlich darauf, beim zweiten Tauchgang nicht mehr die richtige Stelle gefunden zu haben, obwohl alle drei insgeheim vom Gegenteil überzeugt waren. Als JJ erneut das Thema Spuk und böse Geister ansprach, machten sie sich darüber lustig. Wohl war ihnen indes nicht dabei. Vor allem Antje nicht.
    Sie standen auf und gingen. JJ grüßte den am Nebentisch sitzenden Jasper Westerländer mit einem kurzen Kopfnicken. Der alte Seebär mit dem zerzausten Bart, der tief in die Stirn gezogenen Prinz-Heinrich-Mütze und dem rauchenden Pfeifchen im Mund grüßte auf dieselbe Art zurück.
    Dass ihm Westerländer mit überaus besorgter Miene hinterherblickte, bemerkte der junge Student schon nicht mehr. Ein leichtes Zucken überlief das von Wind und Wetter gegerbte Gesicht des Mannes in Friesentracht. Mit seinen 73 Jahren verfügte Jasper Westerländer noch über ein ausgezeichnetes Gehör. So hatte er, nur anfänglich gegen seinen Willen, fast die komplette Unterhaltung der drei jungen Leute am Nebentisch mit angehört.
    Was er vernommen hatte, machte ihm Angst. Seine Gedanken jagten sich.
    Unvermittelt setzten die-Visionen ein. Ein unheimliches Geisterschiff kreuzte vor den Nordfriesischen Inseln. Es brachte das Verderben. Tote machten Lebende zu ihresgleichen. Das Grauen ging um. Und zwischen allem thronte eine grausame, albtraumhafte Gestalt, die der Hölle entflohen zu sein schien. Was sie mit dem schlanken, düsteren Mann zu tun hatte, der etwas abseits wartete, erschloss sich dem Seher nicht.
    Es dauerte nur einen kurzen Moment. Trotzdem war Jasper Westerländer in Schweiß gebadet, als er in die Wirklichkeit zurückfand. Aber was hieß schon Wirklichkeit? Was er gerade gesehen hatte, war das nicht auch die Wirklichkeit?
    Die Wirklichkeit der Zukunft…
    Westerländer schluckte schwer. Seine Zeit auf der MS ULYSSES fiel ihm ein. Er würde einen Kontakt herstellen müssen. Aber noch nicht gleich. Der alte Seebär hoffte inständig, dass er sich täuschte. Er wusste gleichzeitig, dass er es nicht tat.
    Denn Jasper Westerländer war ein Spökenkieker.
    ***
    »Der Wind, der spinnt«, sagte Professor Zamorra zutiefst überzeugt, als ihn der raue Südwester fast von der Mole des Wyker Hafens wehte.
    »Ich weiß gar nicht, was du willst, Chéri«, gab Nicole Duval zurück, die sich windab an Zamorras Rücken drückte. »Hier ist es wunderbar windstill. Ein Refugium der Stille sozusagen. Ich hätte nie geglaubt, dass deine breiten Hüften irgendwann mal tatsächlich zu etwas gut sein könnten.«
    »Breiter Rücken«, korrigierte der Professor gutmütig, während er nach ihrer Kontaktperson Ausschau hielt, »nicht breite Hüften. Ich dachte eigentlich, dass du dich in meiner Anatomie ein wenig besser auskennen würdest.«
    »Tu ich ja auch. Aber nur südlich der Hüften«, kicherte Nicole und knuffte ihn kurz.
    Zamorras Erwiderung blieb für immer ungesagt, denn er entdeckte einen älteren Mann im gelben Friesennerz, der über die Mole auf sie zugeschlendert kam. »Der Beschreibung nach muss das Jasper Westerländer sein«, murmelte er.
    »Frau Duval, Herr Zamorra, ich bin erleichtert, dass Sie gekommen sind«, begrüßte sie der bärtige Seebär mit dem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht, das von ehrlich wirkenden, hellblauen Augen dominiert wurde, und schüttelte beiden herzlich die Hand. »Jetzt bin ich

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