0833 - Verfluchte der See
sicher, dass das furchtbare Geschehen bald ein Ende haben wird.«
»Guten Tag, Herr Westerländer«, gab Zamorra zurück und betrachtete ihn eingehend. »Nun, Sie scheinen Recht zu haben, ich kann mich tatsächlich nicht an Sie erinnern. Du etwa, Nici?«
Nicole schüttelte kurz den Kopf. »Nein, ich auch nicht, tut mir Leid, Herr Westerländer. An die stolze MS ULYSSES erinnere ich mich dagegen noch ganz genau. Sie sagten, das Schiff sei zwischenzeitlich außer Dienst gestellt?«
»Ganz genau«, erwiderte der alte Seebär. »Außer Dienst gestellt und längst abgewrackt. Das hat mir ehrlich gesagt ein bisschen wehgetan, denn ich fühlte mit der ULYSSES immer ganz besonders verbunden, auch wenn sie nicht meine einzige Heuer war. Und da Sie beide ja auch öfters an Bord waren, habe ich mich angesichts der grauenhaften Ereignisse hier sofort wieder an Sie erinnert und Sie angerufen. Schließlich kennen Sie sich mit Geistern, Teufeln, Dämonen und diesem ganzen Kroppzeuch bestens aus.«
Zamorra nickte nachdenklich, während sie die Mole entlang gingen. Gedankenfetzen gingen ihm durch den Kopf. Die MS ULYSSES war das hochseegängige Forschungsschiff des Möbius-Konzerns gewesen, den Tendyke Industries vor einigen Jahren übernommen hatte, und das bei einigen Abenteuern eine nicht unwichtige Rolle gespielt hatte.
Sie stiegen in ein Taxi und fuhren zu einem Ferienhaus in der Nähe des Südstrands, wo Jasper Westerländer ein Appartement für sie gebucht hatte. Am Eingang stand in einem Glaskasten eine Schaufensterpuppe, die die alte Föhrer Friesentracht trug.
»Sehr hübsch«, stellte Nicole fest, während sie die prunkvolle dunkelgrüne Tracht mit dem filigranen Silberschmuck auf der Brust eingehend betrachtete. »Ich bin mir sicher, dass mir Ähnliches sehr gut zu Gesicht stehen würde.«
»Kostet nur so um die 3000 Euro«, sagte Westerländer.
»Du sollst niemals nach Trachten trachten«, ächzte Zamorra und starrte seine Sekretärin und Geliebte unheilvoll an. »Denk bitte daran, dass sich unsere bescheidene Kasse von deinem letzten Boutiquenbummel noch nicht annähernd wieder erholt hat. Wie kann man bloß für zehn Quadratmillimeter Stoff viertausend Euro ausgeben? Ich wiederhole: viertausend!«
»Man kann nicht. Aber Frau kann. Du hast dir im Übrigen gerade eben den falschen Reim gemacht, Chéri«, flötete Nicole so sanft wie mitleidlos. »Richtig wäre gewesen: alle Macht der Friesentracht.«
Jasper Westerländer schaute verständnislos von einem zum anderen.
Wahrscheinlich zweifelt er soeben unseren-Verstand an , dachte Zamorra amüsiert. Für ihn waren diese kleinen neckischen Rededuelle mit seiner Sekretärin, Geliebten und Mitkämpferin gegen die dunklen Mächte längst lieb gewordener Alltag.
Und dieser Alltag hatte sie nun auch hierher geführt, obgleich Zamorra lieber weiter an dem Buch mit den 13 Siegeln gearbeitet hätte. Sieben Siegel waren inzwischen geöffnet, und jedes hatte Zamorra und auch Nicole in immer gefährlichere Abenteuer gestürzt. Welcher Sinn hinter all dem stand, hatte Zamorra noch nicht herausfinden können. Umso mehr drängte es ihn, weitere Siegel zu öffnen - auch wenn das nicht so einfach war.
Und dann hatte Nicole auch noch versucht, ihm dieses Buch wegzunehmen und fortzubringen! Natürlich war sie daran gescheitert, zugleich aber in eine lebensgefährliche Situation geraten, aus der Zamorra sie nur mühsam wieder hatte herausholen können. Dabei war er auch noch in zwei identische Körper »aufgeteilt« worden und verfügte für die Zeit dieser Aufteilung über geradezu unglaubliche Para-Fähigkeiten. [1]
Er war anfangs verdammt sauer gewesen über Nicoles Aktion. Inzwischen war sein Zorn weitgehend verraucht; er konnte ihr einfach nicht wirklich böse sein, weil er sie doch liebte! Nur wenn er in seinem »Zauberzimmer« saß und das nächste Siegel zu öffnen versuchte, kam der Zorn manchmal zurück.
Jetzt und hier aber nicht; dies war eine ganz andere Sache.
Nachdem Zamorra und Nicole ihr kleines Gepäck im Zimmer untergebracht und dieses magisch abgesichert hatten, führte sie Jasper Westerländer in das »Kleine Versteck«.
»Da brat mir doch einer einen Storch«, stieß Nicole verblüfft hervor, als sie die alte Kirche betraten und sich unvermittelt in einem Bierlokal wiederfanden. »Dass man in manchen Wirtschaften vor der Essenseinnahme unbedingt beten sollte, war mir durchaus bewusst. Aber nicht, dass man in manchen Kirchen auch Bier trinken kann. Wenn
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