0833 - Verfluchte der See
»Schieß endlich los. Was gibt es so Geheimnisvolles auf dieser wunderschönen Insel?«
»Hans den Hai.«
»Aha«, erwiderte Roger etwas ratlos. »Das ist sicher der Bruder von Karl dem Käfer, oder?«
Antje kicherte. »Nein, ich glaube eher, von Benjamin Blümchen.«
»Kommt mit, ich zeige euch etwas.« JJ stand auf, ohne auf die Flachsereien einzugehen.
Antje und Roger erhoben sich ebenfalls. Sie gingen über den Hof zu einem großen Gebäude, das sicherlich einmal die Stallungen beherbergt hatte. JJ bestätigte das.
Mit einer etwas theatralischen Geste, die gar nicht zu ihm passte, öffnete JJ die Tür einer ehemaligen Pferdebox.
»Wow«, staunte Antje und trat hinein. »Was ist denn das?«
Auch Roger war sichtlich angetan von dem etwa einen Meter hohen flachen Stein, der in der hinteren linken Ecke lehnte, oben halbrund war und eingemeißelte Schriftzeichen und Bilder aufwies. »Ist das ein Grabstein?«
JJ nickte. »Ein Grabstein, ja. Wir bauen gerade die Scheune hier um, weil wir ein paar zusätzliche Pensionszimmer einrichten wollen. Beim Abreißen einer Holzwand direkt unter dem Dach kam plötzlich dieser Stein hier vor. Er muss seit Jahrhunderten dort oben gestanden haben.«
»Ach, tatsächlich?« Antje kniete vor dem Grabstein nieder und streichelte fast ehrfürchtig mit dem Finger über die altertümlichen Buchstaben. Sie spürte eine eigentümliche Erregung. »Ist das Altdeutsch?«
»Ein altertümliches Dänisch. Bis 1864 gehörte der westliche Teil Föhrs nämlich zu Dänemark, der östliche mit Wyk darauf zum Herzogtum Schleswig. Allerdings bekleidete der Herzog von Schleswig seinerzeit auch das Amt des Königs von Dänemark«, erläuterte Jens-Jacob Eschel. »Ergo war ganz Föhr zu der Zeit, auf die es mir ankommt, dänisch.«
»Was wollen uns diese Worte bloß sagen«, grummelte Roger.
»Eigentlich nur, dass ich die Inschrift in der Zwischenzeit entziffert habe.«
»Aha«, erwiderte Roger. »Ich kombiniere nun scharf und nehme an, dass es der Grabstein von diesem Hai mit Vornamen ist.«
»Falsche Annahme.« JJ ließ die kleine Pause wirken. »Der Grabstein wurde für meinen Vorfahren Nils-Holger Eschel gemacht. Ich nehme zumindest mal an, dass er zu meinen Vorfahren gehörte. Wie ihr ja wisst, betreibe ich Ahnenforschung und habe einen lückenlosen Stammbaum bis ins 16. Jahrhundert hinein. Deswegen erstaunt es mich doch ein wenig, dass ich diesen Nils-Holger nirgendwo einordnen kann.«
Er schnaufte kurz durch. »Ist aber nicht weiter wichtig. Noch heute sieht man auf den Friedhöfen der drei mächtigen Inselkirchen in Nieblum, Süderende und Boldixum jede Menge wunderbar illustrierter Grabsteine, die Geschichten aus dem Leben der Seefahrer erzählen. Steine wie diesen hier eben. Was wiederum nicht ganz stimmt. Denn dieser Stein weist eine Besonderheit auf.«
»Lass mich raten«, witzelte Roger. »Man hat Nils-Holger Eschel zwar begraben, aber den Grabstein samt seiner Existenz glatt auf dem Speicher vergessen.«
»Nein, das meine ich nicht. Während alle anderen Grabsteine quasi Lebensläufe aus Stein sind, gibt dieser hier lediglich eine Episode wieder, die Nils-Holger Eschel als Augenzeuge erlebte und die ihn sein Leben lang nicht mehr losgelassen haben muss. Sonst hätte er sie ja kaum auf seinem Grabstein verewigt. Richtig?«
»Wohl wahr, wie ihr Friesen immer zu sagen pflegt.«
JJ nickte. »Besagter-Vorfall ereignete sich am 24. August 1703. Da beobachtete mein Vorfahr ein Seegefecht zwischen einem Piraten- und einem Handelsschiff. Seltsamerweise gewann das Handelsschiff, indem es den Piraten rammte und versenkte.«
»Ungewöhnlich«, befand Antje. »Aber sensationell würde ich das noch nicht nennen. Ich kann mir denken, dass Hans der Hai der Kapitän des Piratenschiffs war.«
»Richtig, Antje«, lobte Jens-Jacob. Es ging ihr runter wie Öl. »Eine der vielen Insellegenden erzählt von Hans dem Hai und seinem legendären Schiff, der ›Dummen Kuh von Skallingen‹. Hans muss ein überaus grausamer Pirat gewesen sein, der sogar mit den Höllenmächten im Bunde war, sagt man. Mit des Teufels Hilfe soll Hans tonnenweise Gold, Schmuck, Geldmünzen und andere Schätze gehortet und in seinem Schiff gebunkert haben. Trotz dieser schweren Last konnte es sich immer noch leicht und schnell bewegen, da der Teufel für den richtigen Wind in den Segeln sorgte.«
»Unheimlich.« Antje schüttelte sich. Sie mochte keine Schauergeschichten.
»Geht so«, fuhr JJ fort. »Nun ja, Hans der
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