0833 - Verfluchte der See
gestattet war. Trotzdem biss keine Maus den Faden ab: Das hier war die andere Dimension, in der sich das Geisterschiff verbarg. Das machte eine Flucht momentan unmöglich.
***
Hans der Hai saß sinnend da. Er starrte nachdenklich auf das seltsame Amulett, das vor ihm auf dem wertvollen Mahagonitisch lag. Zwei Kerzen flackerten und ließen gespenstische Schatten über die teuren, großflächigen Behänge aus feinster Seide wandern. Sie bedeckten zwei Drittel der Wände der Kapitänskajüte und zeigten Piratenszenen aus der Karibik.
Ja, ein Flibustier, wie die Piraten der Karibik genannt wurden, wäre Hans der Hai auch gerne gewesen. Und wäre es wohl auch geworden, wenn ihn Asmodis nicht so schmählich verraten hätte. Nun, dieser Traum konnte noch immer wahr werden. Vielleicht sogar mit Hilfe dieses mächtigen magischen Gegenstandes, den der fremde Zauberer mit auf die »Dumme Kuh« gebracht hatte.
Er durfte sich nur nicht wieder übertölpeln lassen.
Eine Laune des Schicksals hatte dafür gesorgt, dass Hans der Hai nach dem tödlichen Schuss des Asmodis' nicht wirklich gestorben war. Er fand sich auf seinem gesunkenen Schiff wieder, vereint mit der ganzen Mannschaft, auch denen, die wie er zuvor den Tod gefunden hatten.
Jahrhunderte segelten sie neben der Welt, immer mit Blick auf sie, aber doch nicht fähig, sie zu erreichen. Sie waren keine Geister, sie atmeten, bestanden aus Fleisch und Blut und besaßen zumindest die Illusion menschlicher Bedürfnisse. Das hieß zum Beispiel, dass sie hin und wieder ein starkes Hungergefühl plagte. Trotzdem mussten sie keine Nahrung zu sich nehmen und auch niemals den Abtritt aufsuchen.
Hans der Hai seufzte leise. Im ausgestoßenen Atemstrom begannen die Kerzen unruhig zu flackern. Er war, nein, sie alle waren unsterblich geworden.
Dank dieser erstaunlichen Vorgänge hatte er Asmodis also doch noch überlisten und das ewige Leben erlangen können. Bisher war es allerdings eher wie ein Fluch für ihn gewesen, nicht mehr Teil der Welt zu sein, die er nur noch mäßig liebte und die sich so sehr vor ihm fürchtete.
Aus heiterem Himmel hatten sie den Übergang doch noch geschafft. Einfach so. Unvorhersehbar. Mehr noch: Sie konnten nun die Dimensionen wechseln, wie immer es ihnen beliebte. Oder besser: wie es ihm beliebte. Denn allein durch seine Gedankenkraft gelang der Übergang. Einzige Einschränkung war die Tatsache, dass es Nacht über der Welt sein musste. Doch das störte Hans den Hai wenig.
Und seine Existenz war ihm mehr wert als jemals zuvor. Denn er liebte dieses neue Leben, das ihn wieder zum Teil der Welt machte und ihm die Unsterblichkeit trotzdem nicht nahm. Das Allerschönste aber war, dass sie mit dem ersten Übergang in die wahre Welt ihre menschlichen Bedürfnisse zurückerhalten hatten. Essen, Trinken, Schlafen und alles was das Herz begehrte, waren nicht mehr nur ein nutzloser Drang.
Ja, sie durften sich wieder wahre Menschen nennen. Und waren trotzdem unsterblich. Auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, wie das alles zuging.
Und weil er völlig ahnungslos war, wurde der Piratenkapitän von plötzlicher innerer Unrast geplagt. Warum war dieser mächtige Zauberer auf seinem Schiff erschienen? Was wollte er? Was konnte er wirklich ausrichten? Handelte es sich etwa um einen neuen Trick von Asmodis, um ihm die Unsterblichkeit doch noch zu rauben?
Dabei war nicht einmal der Zauberer selbst Quell seiner steten Unruhe und Befürchtungen, sondern dessen Begleiterin. Sie sah seiner einzigen großen Liebe so verblüffend ähnlich, dass Hans der Hai gezittert hatte, als sie ihm zum ersten Mal unter die Augen getreten war. Konnte das ein Zufall sein?
Aus einer Laune heraus hatte er ihre Liebesdienste eingefordert. Aber es interessierte ihn nicht wirklich. Else Hellstern war längst zur Hölle gefahren, von ihm eigenhändig dorthin befördert. In ehrendem Angedenken hatte er zudem sein Schiff nach ihr benannt.
Ja, eine dumme Kuh war sie gewesen, wahrhaft die dümmste Kuh von Skallingen, die schöne Else mit dem Verstand einer Stechmücke. Ewige Treue schwor sie ihm und erlag zwei Tage später den so plumpen wie falschen Liebesschwüren eines alternden Kaufmanns, der ihr ein Leben in Saus und Braus an seiner Seite versprach und sie doch nur auf seinem Lager haben wollte. Unfähig war sie gewesen, die Sache zu durchschauen.
Als der Kaufmann Else nach zwei Jahren angewidert verstieß, hatte sie der damals schon nicht mehr ehrbare Kapitän Johan Redlef
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