0834 - Shaos Ende?
Gang eintauchten, den ich in der Dunkelheit zuvor nicht entdeckt hatte.
Ein unebener Boden schimmerte ebenfalls feucht im Licht meiner kleinen Lampe, und als ich den Strahl nach vorn richtete, da fand er auch ein Ziel.
Er malte einen Kreis auf das dicke Holz einer verwittert aussehenden Tür.
Die Hexe ging schneller, blieb vor der Tür stehen und deutete auf ein altes Schloß. »Dazu besitze ich den Schlüssel, aber zuvor werde ich der Riegel zur Seite schieben.« Er diente als zusätzliche Sicherung. Ich hörte das Knirschen, als sich der Riegel bewegte, dann war er zur Seite geglitten.
Tatjana öffnete das Schloß. Ihren Besen behielt sie dabei zwischen Arm und Körper geklemmt. Sie flüsterte etwas, nur konnte ich von ihren Worten nichts verstehen.
»Ist die Tür offen?«
»Moment noch.« Der Schlüssel drehte sich wieder kratzend im Schloß, ich hörte die Hexe atmen, und dann zerrte sie die Tür auf. Licht flackerte uns entgegen, das für einen Moment in meinen Augen schmerzte und mich zwang, den Kopf zur Seite zu drehen.
»Geh vor…«
Ich hätte es nicht erst zu sagen brauchen, den Tatjana hatte mit einem Schritt die Schwelle überwunden. »Hier ist er auch gewesen«, murmelte sie, und ich wußte sofort, daß sie von Suko gesprochen hatte. Nachdenklich war sie stehengeblieben. Der Fackelschein geisterte über ihren halbnackten Körper und verlieh ihm ein Muster aus Licht und Schatten. »Aber er hat so reagiert, wie ich es mir dachte.«
»Wie meinst du das?«
Tatjana deutete auf die zweite Tür. »Da ist der richtige Weg, denn er führt in ein Nachbarverlies.«
»Finde ich ihn dort?«
Sie lächelte kalt. »Vielleicht tot, vielleicht lebendig. Man kann nie wissen.«
»Sollte das tatsächlich der Fall sein, ist dein Leben auch nichts mehr wert. Da kann dir auch nicht mehr der Teufel persönlich helfen. Dafür solltest du mich kennen.«
Sie gab keine Antwort, legte nur die Finger auf die Lippen und duckte sich, als sie vorging. Dabei zog sie die zweite Tür auf, und auch in dem zweiten Verlies brannte Licht.
In dieser Sekunde spürte ich, daß sich etwas Entscheidendes tun würde. Und dann überschlugen sich die Ereignisse.
***
Suko hatte das Blut über die Lippe und aus dem Mund rinnen sehen. Dieses dicke, fettige Blut, das einen Streifen auf der Haut des Kinnes gebildet hatte. Er konnte nur dieses Blut sehen und traute sich nicht, in Shaos Gesicht zu schauen, denn für ihn war sie eine Sterbende.
Eine Sterbende!
Dieser Begriff klemmte sich in seinem Kopf fest. Er konnte damit nichts anfangen, er wollte es auch nicht. Aber er kam zugleich nicht davon los.
Sterben!
Schrecklich, so endgültig, so vernichtend und aus dem Leben gerissen. Jemand wollte die Rache für Yannah, jemand hatte sich einen fürchterlichen Plan ausgedacht, wobei ihm der Teufel die entsprechende Rückendeckung gegeben hatte.
Shao tot!
Suko kriegte eine Gänsehaut, weil er sich diese beiden Worte nicht als Frage gestellt hatte. Würde sie tatsächlich aus dem Leben scheiden?
Sie litt schrecklich, denn etwas fraß ihren Körper auf, es raubte ihr die Luft, und Shao hatte, daran konnte er sich noch gut erinnern, von einem Trank gesprochen, der ihr angeboten worden war. Ein vergifteter Trank, dessen Ingredienzien erst viel später wirkten, aber gerade noch zur richtigen Zeit.
Suko war auch nicht mehr in der Lage, eine Frage zu stellen, nur erinnerte er sich daran, daß Shao schon einmal gestorben war. Zumindest hatte er es geglaubt, und er dachte noch an ihre Beerdigung.
Er sah sich auf einem Platz stehen, die Tote auf den Armen, wobei alles anders gekommen war. Sie war nicht tot gewesen, da hatte sich nur die Sonnengöttin Amaterasu an sie erinnert und sie in ihr Reich geholt, um irgendwann von Shao befreit zu werden.
Das aber würde nicht mehr zutreffen, falls Shao dieses Grauen hier nicht überlebte.
Er hatte nur Augen für sie und konnte deshalb nicht erkennen, was sich hinter ihm anbahnte. An den Henker dachte er nicht mehr, auch nicht an dessen Waffe. Er ging wieder auf seine Shao zu, um ihr einfach zu helfen, ihr Trost zu spenden, und…
Aber wie? Himmel, wie sollte er das schaffen? Wie konnte er diesem gequälten und in Ketten hängenden Wesen zur Seite stehen und es retten? Es war eben diese verfluchte Hilflosigkeit, unter der ein Mensch wie Suko so stark litt.
Zusehen, wie Shao starb, wie sie dahinsiechte, bis das Reich des Todes sie verschlang. Wäre es ihm möglich gewesen, er hätte seine Hände in die
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