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0839 - Ruhe sanft und komm nie wieder

0839 - Ruhe sanft und komm nie wieder

Titel: 0839 - Ruhe sanft und komm nie wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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heran, der Fahrtwind veränderte seine Geräusche. Die Luft umzischte den Gerechten.
    Manchmal hörten sich die Stöße an, als würde jemand Beifall klatschen, ohne seine Handschuhe ausgezogen zu haben.
    Das war nicht alles, was ihm auffiel.
    In seiner unmittelbaren Umgebung hatte sich einiges verändert. Er spürte das Fremde, das sich in seine Nähe geschlichen hatte. Es war böse und gefährlich.
    Raniel riß die Augen auf. Er starrte nach vorn. Er sah die Lok, er sah auch vor ihr die dichte Schwärze der Nacht, die weiter, nach Osten hin, von keinem Lichtfunken aufgerissen wurde. Der Zug raste hinein in die Einsamkeit, als sollte er im Nirgendwo seinen letzten Bahnhof finden.
    Die Aufbauten einer Brücke glitten in rasender Geschwindigkeit rechts und links weg. Sie kamen ihm vor wie starre Riesen, die es noch einmal versucht hatten, dann aber vom Schlund der Nacht verschluckt wurden. Selbst dem Gerechten fiel es schwer, sich an diese Umgebung zu gewöhnen, und immer wieder bekam er heftige Stöße, die der beißende Fahrtwind gegen seinen Körper hämmerte.
    Die Gefahr!
    Sie kam näher.
    Er sah sie nicht, aber er spürte die kalte Haut, die sich auf seinem Rücken gebildet hatte.
    Ein Alarmzeichen!
    Der Rücken - hinter ihm!
    Raniel konnte nicht anders. Er mußte herum, was ihm schwerfiel, denn er mußte nicht nur den Fahrtwind dabei berechnen, sondern auch die Vibration des Wagens und die Feuchtigkeit auf dessen Dach. Und das alles in geduckter Haltung.
    Wind erfaßte seinen Mantel, er schlug ihn hoch, fast über das Gesicht des Gerechten hinweg.
    Dann sah er den Mann.
    Er war der Blonde aus dem Gang. Er ›stand‹ einen Wagen hinter ihm, und er hielt eine Waffe in der Hand. Obwohl die beiden noch relativ weit von einander entfernt waren und die Dunkelheit zwischen ihnen lag, schimmerte das Gesicht des Killers bleich.
    Raniel duckte sich.
    Der andere schoß.
    Wohin die Kugel flog, wußte der Gerechte nicht. Getroffen hatte sie ihn jedenfalls nicht.
    Ein zweiter Schuß folgte nicht. Das Schicksal stellte sich auf die Seite des Gerechten, denn der Schienenstrang führte hinein in eine weite Kurve, und diese Lage auszugleichen, war für beide nicht einfach. Sie mußten sich wieder auf das Dach legen. Raniel tauchte als erster ab. Er hatte sofort die Beine gespreizt, fand so einigermaßen Halt und hielt zudem die Arme ausgestreckt, denn das Dach war nicht nur flach. An bestimmten Stellen schauten einige kleine Schornsteine hervor, aus denen allerdings kein Rauch quoll. Sie waren als Luftlöcher gedacht für das Innere des Waggons.
    Daran hielt sich Raniel fest und blieb zunächst einmal so liegen, den Kopf leicht erhoben.
    Sein Blick fiel auf das andere Wagendach, wo der blonde Killer mit sich selbst und den Tücken seiner Umwelt zu kämpfen hatte, denn es war ihm noch nicht gelungen, die richtige Lage zu finden.
    Er lag auf dem Rücken, rutschte hin und her und hatte schließlich das Glück, sich ebenfalls irgendwo festhalten zu können. Er hing dabei in einer schrägen Lage, fast quer zur Fahrtrichtung, umtost vom kalten Fahrtwind.
    Trotzdem hatte Grundel es geschafft, die Waffe nicht loszulassen. Nahezu verbissen klammerte er sich daran fest, und ebenso verbissen versuchte er, wieder die Dachmitte zu erreichen. Grundel gab nicht auf. Er arbeitete für Henry O. Sellnick, der absolute Treue verlangte, Solidarität bis zum letzten Blutstropfen.
    Der Gerechte bekam durch diese Aktion genau die Zeit, die er brauchte.
    Unter seinem langen Mantel hielt er die Waffe verborgen, sein schmales Schwert aus Glas, zumindest sah die Klinge so aus. Er setzte es nicht oft ein, immer nur dann, wenn aus der Gefahr eine tödliche wurde, und alles wies in dieser Situation darauf hin.
    Revolver gegen Schwert! Wer würde siegen?
    Grundel befand sich in der besseren Position. Er brauchte die Waffe nur anzuheben, sie auf das Ziel zu richten und abzudrücken. Raniel aber mußte näher an ihn heran oder das Schwert aus einer gewissen Entfernung schleudern.
    Die Dächer der Wagen waren als Kampfplattform völlig ungeeignet. Auch wenn der Zug nicht mit einer Supergeschwindigkeit durch die Nacht raste, die Schwankungen und das Zittern auszugleichen glich schon einer Kunst der Balance. Und kam er nur einen Zentimeter zu weit hoch, fegte ihn die Oberleitung in einer Feuerwolke vom Dach.
    Gebeugt schaute er den Bemühungen des Killers zu.
    Um effektiv sein zu können, mußte Raniel auf das Dach des anderen Wagens. Es gab keinen trennenden

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