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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Erstes Kapitel
    C orrie May Upjohn lehnte an einem Stapel Baumwollballen und sah den Schiffen zu. Corrie May war gern am Hafen, wo die stämmigen schwarzen Stauer Baumwolle verluden, wo wunderbare schwimmende Paläste ihre Passagiere über schwanke Laufbrücken hinweg aufs feste Land entließen – ach, all das war aufregender als selbst ein Stück im Theater. Corrie May erwartete ihren Verehrer; es paßte ihr sehr, daß er sie gerade hierherbestellt hatte.
    Vierzehn Lenze zählte Corrie May. Schmal und jung von Gestalt, das war sie. Noch hatten ihre Füße, hoch im Spann, nicht die Form verloren, wenn auch Corrie May tagein, tagaus nur barfuß ging – vom Winter abgesehen. Das blaue Baumwollkleidchen paßte gut zu ihren blauen Augen, stach aber auch auf liebenswürdige Weise gegen ihr Flachshaar ab – und gegen ihre schön durchblutete, sonnenbraune Haut. Ihre Lippen trafen sich in einer geraden Linie, wölbten sich aber unter und über ihr keineswegs kärglich: ein Mund, zum Küssen prächtig; er verriet aber auch, daß Corrie May wußte, was sie wollte. Ihr Verehrer, Budge Foster, war nicht der einzige junge Bursche, der ihr schöne Augen machte. Budge gefiel ihr am besten; doch Corrie May war entschlossen, auch noch mit anderen ein wenig zu liebeln: Budge sollte sich gar nichts einbilden! Sie war nicht allein auf ihn angewiesen.
    Ein Windhauch vom Fluß her kühlte ihr die Stirn. Corrie May holte tief Atem. Wie liebte sie den Strom, den ungeheuren Mississippi! Hier an den Landungsbrücken bot sich die ganze Welt auf einmal dar – Flußdampfer wendeten und drehten sich gleich großen Damen, ehe sie festmachten; unverschämte kleine Boote von den Pflanzungen tanzten auf den Wassern und gerieten in jedermanns Quere; Überseer unter fremden Flaggen dampften den Fluß herauf, sich den Bauch voll Baumwolle zu stopfen; Sklavenschiffe entledigten sich ihrer menschlichen Fracht; in langen Reihen trieb man die Neger zu Markte; oberhalb der Landungsbrücken wurden sie zum Verkauf ausgestellt; schwimmende Freudenhäuser legten sich an den Kai; sie pflegten bald hier, bald da vor den Städten und Städtchen am Fluß aufzutauchen; immer auf der Flucht vor den Hütern der Moral; Theaterschiffe unter gewaltigen, blumigen Bannern; Händlerboote mit einem Geschäftchen an Deck, worin Kattun und Nähnadeln und anderer Schnickschnack zu erstehen waren; Wohnboote von Wunderdoktoren, die zauberhaft wirksame Tränklein und Pülverchen feilhielten; Eisschiffe entluden ihre kalten Lasten, milchige Blöcke, im Winter zuvor aus gefrorenen Gewässern des Nordens geschnitten; sie wurden im Sommer stromab gefrachtet und für fünfundzwanzig Cents das Pfund in die Küchen der Reichen von Louisiana verkauft. Corrie May war noch nie gereist. Aber man braucht nicht zu reisen – sagten die Leute –, wohnt man in einer Stadt am Strom; er bringt die ganze Welt vors Haus!
    Corrie May war heimlich stolz darauf, daß sie hier bei den Landungsbrücken auf einen Verehrer warten konnte, obwohl sie erst vierzehn Jahre zählte. Budge hatte an diesem Vormittag den St. Clairs, der mächtigen Grundbesitzerfamilie, die Pacht für den Acker zu zahlen, den er bebaute. Ein strebsamer Bursche war er, erpicht darauf, Baumwolle anzupflanzen und sich selbständig zu machen – anstatt am Hafen auf Gelegenheitsarbeit zu warten wie Corrie Mays Brüder. Budge war mächtig in Corrie May verliebt. Zwar hatte er sich noch nicht ausgesprochen, aber sie wußte es doch. Budge war noch nicht so weit, daß er deutlich werden konnte. Er zimmerte ein Häuschen; aber es war noch nicht fertig; unterdes wohnte er bei seinen Leuten unterhalb des Hafens am Rattletrap Square. Es gibt genug junge Kerls, die ein Mädchen zur Frau haben wollen – und besitzen nicht einmal ein Häuschen, mit ihr darin zu wohnen; so war Budge nicht!
    Corrie May hielt es für angenehmer, sich zu verheiraten, als weiter zu Hause zu hocken. Ihre Brüder arbeiteten fleißig und gern – wenn sie Arbeit hatten, womit es jetzt im Sommer schlecht bestellt war; und Vater, natürlich, der tat sowieso nichts anderes als Reden zu halten! Im Winter pflegte Papa mit mehreren Reisepredigern ein Wohnschiff zu besteigen und den Fluß hinauf und hinunter zu befahren – seelenrettenderweise! So leicht war am ganzen Fluß kein Salbader zu finden, der den alten Upjohn übertrumpfte. In seinen Predigten grollte es donnernd von Babylon und Sodom, von höllischen Feuern, hohen, weißen Thronen und ewiger

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