0839 - Ruhe sanft und komm nie wieder
maß die Distanz zwischen ihm und mir ab. Konnte ich es schaffen, an ihn heranzukommen?
War ich schneller als er? Die Kugel würde nicht ausreichen, aber das Kreuz.
In dieser Sekunde, in der ich noch überlegte, trat etwas völlig anderes ein.
Hinter mir strahlte ein Licht blendend auf. Ich sah nur den Widerschein, der fast bis zu uns reichte, und dann hörte ich die Stimme durch die Dunkelheit der Nacht hallen.
»Hast du deinen Vater wirklich vergessen, Elohim…?«
***
Mit dem Erscheinen des Gerechten hatte keiner von uns mehr gerechnet. Ich hatte wohl an ihn gedacht und irgendwie auch erwartet, daß er an- oder eingriff, aber dieses so schnelle Erscheinen hatte uns doch geschockt. Im ersten Moment war ich mir vorgekommen, als hätte mir jemand mit einem Hammer vor die Stirn geschlagen.
Hinter uns die Stimme, hinter uns der Gerechte, aber vor uns die Kreatur der Finsternis mit der Geisel.
Ich wollte natürlich beide sehen, was aber nicht möglich war, denn hinten hatte ich keine Augen. Es gab nur die Möglichkeit, indem ich mich zur Seite drehte und somit nach links und nach rechts schauen konnte.
Raniel stand relativ weit von uns entfernt. Er hatte seinen Platz auf dem Dach des Hauses gefunden, wo es einen kleinen Vorbau gab, der ihm als sicherer Standort diente.
Dort stand er wie ein Denkmal, aber er war nicht allein, denn ebenso wie Sellnick hatte auch er sich eine Geisel genommen, und die kannten wir sehr gut.
Es war der blonde Killer, der auf den Namen Grundel hörte!
Raniel hielt ihn vor sich, und er hatte ihn gepackt wie eine Katze. Die linke Hand umkrallte den Nacken des Mannes. In der rechten Hand hielt der Gerechte das gläserne Schwert, dessen Spitze schräg auf den alten Totenacker wies.
Ich wußte, daß es eine besondere Waffe war. Und mir war auch klar, daß ihr Grundel nichts hatte entgegensetzen können. Er war vorher nicht in der Lage gewesen, sich zu wehren, und er tat dies jetzt auch nicht. Woher das Licht stammte, sah ich nicht. Es mußte irgendwo hinter Raniel brennen oder ging von ihm selbst aus, denn es war durchaus möglich, daß auch sein Körper leuchtete.
Auch mit Elohim ging eine Veränderung vor. Er stand zwar noch immer im Griff des Henry 0. Sellnick, aber er war zusammengezuckt, ohne jedoch eine Chance zu bekommen, sich befreien zu können, denn der Griff war härter geworden.
Nichts geschah.
Sekunden verstrichen.
Neben mir atmete Jane stöhnend aus und schüttelte dabei den Kopf. »Ich packe es nicht, es ist einzigartig, aber es ist leider noch nichts gewonnen, John.«
»Da sagst du was!«
Elohim meldete sich. Seine Stimme klang laut, aber ein wenig zaghaft. »Vater…?«
»Ich stehe hier, mein Sohn, und ich bin gekommen, um dich zu mir zu holen!«
Mit diesen Worten war er genau in Henry O. Sellnicks Messer gelaufen. »Was willst du?« brüllte dieser. »Du willst ihn zu dir holen? Wie denn?«
»Du wirst ihn mir geben.«
»Ja, ich gebe ihn dir. Aber ich werde dir einen toten Jungen vor die Füße werfen. Das hier ist mein Gebiet. Es ist mein Friedhof. Es ist die Insel der uralten Dämonen. Hier warten sie auf ihre Befreiung. Hier werden sie der Erde entsteigen, um in die Welt zu gehen. Hier befindet sich ihr Reservoir. Für jede Leiche, die ich hier beerdige, kommt eine der Kreaturen frei. Ich habe mein Geschäft nicht aufgebaut, um es von dir zerstören zu lassen. Der Sieger bin ich, und ich halte den Trumpf in der Hand.«
»Was habe ich denn?« rief Raniel mit lauter Stimme. »Ist Grundel nicht auch dein Freund?«
»Er ist ein Vasall, ein Nichts. Er ist ein Mensch und keine Kreatur aus der Urzeit. Ich brauche ihn nicht mehr. Du kannst mit ihm machen, was du willst, aber deinen Sohn bekommst du von mir nur als Leiche.«
»John, das geht nicht gut aus«, flüsterte Jane Collins. »Das kann nicht gutgehen.«
»Warum nicht?«
»Elohim wird sterben, wenn sein Vater nicht auf die Bedingungen eingeht.«
»Nein, nicht bei Raniel.«
»Du willst ihn nicht freilassen?« rief er über den Friedhof hinweg.
»So ist es.«
»Da, hier hast du ihn!«
Was im nächsten Augenblick geschah, damit hätten wir beide nicht gerechnet. Jane war ebenso erstaunt wie ich. Ich bekam mit, wie sie sich neben mir versteifte, da aber hatte Raniel seine Geisel bereits angehoben, so daß sie mit beiden Füßen über dem Boden schwebte und noch immer in seinem Griff hing. Allein diese Tatsache zeigte von seiner übermenschlichen Kraft und Stärke.
Der linke Arm zuckte vor.
Grundels
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