0842 - Der Sternensammler
nachvollziehbar war. Und noch etwas hatte der hagere Vampir lernen müssen. Nicole Duval besaß einen unbeugsamen Willen, einen Charakter, der sich durch nichts und niemanden verbiegen ließ.
Er hatte diese Frau von ihrem ersten Treffen an respektiert - und gefürchtet. Laertes wusste, dass er für Nicole nach wie vor in erster Linie ein Vampir war, und die gehörten zur Schwarzen Familie. Ein guter Grund, sie zu vernichten, wo immer man einen von ihnen traf.
Kein Wunder, dass die Französin Laertes gegenüber nach wie vor äußerst skeptisch gegenüberstand. Das war etwas, das er zu akzeptieren hatte.
»Nun sag schon. Träumen Vampire? Und wenn, träumen sie dann von einem Blutrausch, der nie endenden Befriedigung ihres Durstes?« Nicole lächelte, als sie neben Laertes trat, doch der Vampir wusste, wie ernsthaft der Hintergrund ihrer Frage war.
Er richtete seinen Blick wieder auf den Waldrand.
»Träumen-Vampire? Ich tue es, Nicole. Doch dazu muss ich nicht ruhen, schlafen. Aber sag mir lieber, wie ich zu dieser hohen Ehre komme? Ich kann mich nicht erinnern, dass du je meine Nähe gesucht hättest.«
Nicole Duval stützte sich mit beiden Händen auf die Brüstung. Laertes war bemüht, seine Augen nicht über die schöne Frau neben sich wandern zu lassen, was schwer genug fiel. Offenbar hatte Nicole bereits geschlafen. Der dünne Morgenmantel, den sie sich übergeworfen hatte, war im Grunde nicht der Erwähnung wert.
»Ich konnte einfach nicht mehr einschlafen. Zufall, dass wir uns hier begegnen, aber vielleicht der richtige Zeitpunkt, um dir einmal zu sagen, dass ich mir meine Meinung über dich noch nicht gebildet habe.« Nicole wurde ernst. »Du bist ein Vampir. Die Hilfe, die wir von dir schon erhalten haben, ist ein Fakt, den ich natürlich in meine Überlegungen einbeziehe. Dennoch - es ist etwas an dir, was mir Angst macht.«
Dalius Laertes war verblüfft, denn diese Offenheit hatte er nicht erwartet.
Doch Nicole war noch nicht am Ende ihrer Ausführungen. »Irgendetwas wird geschehen. Mit dir oder durch dich… ich habe keine Ahnung. Doch es wird passieren. Aber ich bin mir sicher, dass du das in diesem Augenblick ebenso wenig benennen kannst wie ich. Momentan bin ich froh über jede Hilfe, über jeden Verbündeten, der sich in greifbarer Nähe befindet. Es ist das Buch, Dalius, das Siegelbuch.«
Laertes war gestern hier im Château Montagne eingetroffen. Professor Zamorra und der Vampir hatten ein solches Treffen längst geplant, denn zwischen ihnen waren viele Dinge offen. Doch das war nicht der wirkliche Grund für Laertes' Erscheinen.
Für einen kurzen Moment zögerte der Vampir, doch dann wurde ihm klar, dass er Nicole vertrauen konnte.
»Ich habe am gestrigen Abend lange mit Zamorra über das Siegelbuch gesprochen. Du musst mir nichts über deine Ängste sagen, Nicole. Natürlich hat sich Zamorra bemüht, gerade bei diesem Thema sachlich zu bleiben, doch ich konnte fühlen, wie sehr die Siegel sein Denken inzwischen beherrschen.«
Nicole nickte, und in ihren Augen konnte Laertes die Sorge um Zamorra erahnen.
»Zehn Siegel sind geöffnet. Was verbergen die fehlenden drei jetzt noch? Ich muss immer daran denken. Nahezu jedes einzelne Siegel hat uns in Lebensgefahr gebracht.«
Dalius Laertes erinnerte sich gut an Zamorras Tod in Armakath, der weißen Stadt, die wie ein Geschwür mitten in den Schwefelklüften der Hölle thronte. Ja, Zamorra hatte den Angriff auf sich dort nicht überlebt - doch die Wurzel, der Ursprung einer jeden weißen Stadt, hatte ihn in das Leben zurückgebracht; innerhalb der weißen Mauern besaß sie die Macht dazu.
Erst später hatte der Parapsychologe dann bemerkt, dass sich in seinem Abwesenheit hier im Château ein weiteres Siegel geöffnet hatte. Es sprach von Zamorras Tod… und dem Weg zurück, den er finden musste.
Die Siegel hatten stets mörderische, zerstörende Momente in sich getragen. Nun, da war sich Nicole sicher, stand das Brechen des 11. Siegels kurz bevor.
Laertes sprach weiter. »Es gibt einen speziellen Grund für meinen Besuch bei euch. Die Suche nach den Spuren meiner Vergangenheit haben in eine Sackgasse geführt. Ich komme keinen Schritt mehr weiter. Vielleicht hätte Sarkana mir Auskunft geben können, doch den kann ich nun nicht mehr fragen.« Laertes selbst war maßgeblich daran beteiligt gewesen, dass der Vampirdämon endlich besiegt und vernichtet worden war.
»Vielleicht muss ich andere Wege gehen. Ich weiß um die Existenz der
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