0853 - Tanz der Skelette
ortskundigen Führer aufpicken sollen«, sagte Nicole, als sie den Geländewagen stoppte und den Motor abschaltete.
»Dann hätten wir im Ernstfall nur einen Klotz am Bein, auf den wir auch noch aufpassen müssten«, wehrte Zamorra ab. »Mir hat schon der Wanderzirkus nicht gefallen, mit dem wir vorhin unterwegs waren. Wenn es da zu einem Zwischenfall gekommen wäre…«
Nicole seufzte. Er hatte natürlich Recht. »Du glaubst also, dass es zu einer ernsten Auseinandersetzung kommt?«
»Wozu sonst, bitte? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Skelettfängerin freundlich lächelt, die Toten zurückschickt und sich in Luft auflöst, wenn wir sie nett darum bitten?«
»Wir können es ja mal ausprobieren«, schlug Nicole vor. »Ich bin gespannt, was dabei herauskommt.«
Zamorra seufzte. Er war sich sicher, dass Nicole das nicht ernst meinte.
Er fühlte sich immer noch wie im Sauerstoffrausch. Natürlich - er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, die überschüssige Power wieder abzubauen. Vorsichtig stieg er aus, kämpfte einen Schwindelanfall nieder und lehnte sich an den Wagen.
»Kann sein, dass du mir eine Weile helfen musst«, bat er Nicole. »Ich möchte nicht unbedingt stürzen.«
»Ja, ja«, sagte sie. »Wie immer - ihr Männer macht Mist, und wir Frauen müssen dafür sorgen, dass es wieder in Ordnung kommt. Schon gut, Chéri. Das ist eines unserer kleinsten Probleme. Ich sorge schon dafür, dass du keine Notlandung machst.«
»Danke«, murmelte er und aktivierte das Amulett. Dann versetzte er sich wieder in Halbtrance und rief die gespeicherte Szene der Zeitschau ab. Danach folgte er der Flötenspielerin wieder auf ihrem Weg.
***
Juan Pereira überlegte, was er tun konnte. Er war sicher, dass dieser Mann namens Zamorra nichts ausrichten würde. Diese seltsame Show, die er da mit seiner Silberscheibe abgezogen hatte, war doch nur ein bisschen Hokuspokus. Etwas, um kleine Kinder zu beeindrucken. Juan aber war kein kleines Kind mehr.
Spätestens, als seine Eltern starben, war er schlagartig erwachsen geworden. Er hatte begriffen, dass er fortan auf eigenen Beinen stehen musste, dass es niemanden gab, der ihn auffangen würde, wenn er auf seinem Weg durchs Leben strauchelte, niemanden, der seine Hand schützend über ihn hielt.
Auch Vater Esteban konnte ihm da nicht helfen.
Und jetzt erst recht nicht. Der Grabschänder, oder vielleicht die Grabschänderin, die Flöte spielte und die Gebeine der Verblichenen in ihren Bann schlug, wenn das stimmte, was dieser Zamorra ihnen gezeigt und gesagt hatte - war mächtig. Sehr, sehr mächtig. Dagegen kam auch Vater Esteban mit seinem Glauben nicht an.
Aber vielleicht gab es jemand anderen, der das konnte.
Kolongo, der Voodoo-Priester.
Zu ihm ging Juan Pereira, um seine Hilfe zu erbitten.
***
Je weiter Zamorra kam, desto besser ging es ihm. Er näherte sich dem »Punkt null« seiner Kraftaufladung. Inzwischen konnte er darauf verzichten, dass Nicole bereit war, ihn zu fangen, wenn er zu stürzen drohte. Es kamen auch keine Schwindelanfälle mehr, die seine Konzentration störten.
Er fühlte sich nur noch etwas aufgeputscht.
»Du solltest vielleicht den Wagen holen«, sagte er, »damit wir ihn notfalls in der Nähe haben.«
»Ich hab's geahnt«, seufzte Nicole. »Also darf ich wieder fast zwei Kilometer zurücklaufen. Ja, ich mache es natürlich. Aber falls die Flötentante von der Straße abweicht, warte an der Stelle, bis ich wieder da bin. Ich möchte dich nicht zu lange allein lassen.«
Zamorra nickte.
Er ärgerte sich, dass sie nicht gleich mit dem Wagen hierher gefahren waren. Vom Beifahrersitz aus hätte er die Zeit schau ebenfalls durchführen können. Früher hatten sie das durchaus oft so gemacht. Warum diesmal nicht?
Hatte sie beide etwas blockiert, dass sie nicht daran gedacht hatten?
In seinem Halbtrance-Zustand fiel es ihm schwer, weiter darüber nachzudenken. Er hatte schon Schwierigkeiten gehabt, sich eben mit Nicole zu unterhalten.
Jetzt setzte er seinen Weg fort. Schritt für Schritt. Er folgte dem zeitversetzten Abbild der Flötenspielerin und wusste, dass hinter ihm die ebenfalls zeitversetzten Abbilder der Skelette marschierten. Was würde geschehen, wenn er aufholte, wenn er dort ankam, wo sie auf die Nacht warteten, um ihren Weg fortzusetzen?
Noch ließ die Nacht auf sich warten. Das verschaffte Zamorra die Möglichkeit, den zeitlichen und räumlichen Abstand zu verringern.
Immerhin war durch seine »Pause« erheblich Zeit
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