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0855 - Geisel der Finsternis

0855 - Geisel der Finsternis

Titel: 0855 - Geisel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Krämer
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Hungerharke. Gut proportioniert nannte man das wohl. Ein Begriff, der alles und nichts aussagte, doch van Zant gab zu, dass auch ihm kein besserer einfallen wollte. Jedes Gramm stand ihr, gehörte ganz einfach zu ihrer Erscheinung dazu.
    Sie trug ihr dunkles Haar zu einem strengen Knoten gebunden, wie man es oft bei südamerikanischen Frauen sehen konnte. Ihre Gesichtszüge verstärkten diesen Verdacht ihrer Herkunft. Spanisch - wahrscheinlich doch eher aus Mexiko, da mochte der Physiker sich nicht festlegen. Keine klassische Schönheit… doch was bedeutete das schon? Van Zant fand sie außerordentlich attraktiv, so, wie sie dort stand.
    Wie alt sie tatsächlich sein mochte? In der Mitte der Dreißiger? Vielleicht sogar am Anfang ihres vierten Jahrzehnts? Spielte das denn wirklich eine Rolle? Für Artimus nicht. Er war ganz bestimmt nicht hierhergekommen, um eine Frauenbekanntschaft zu suchen…
    Eher im Gegenteil, denn nach dem Tod der Wächterin der weißen Stadt hatte van Zant kein Interesse an so etwas. Es schien, als wäre seine nähere Bekanntschaft für Frauen nicht gesundheitsfördernd.
    Julie, seine geschiedene Frau - Khira Stolt, die kleine Finnin, nun die Wächterin. Der klare Menschenverstand sagte Artimus natürlich, dass er nicht der Auslöser für diese Tragödien war, doch wer konnte sich schon gegen das wehren, was seine innersten Gefühle ihm einflüsterten? Artimus jedenfalls konnte es nicht immer.
    Und so war er hier gelandet, in dieser Bar, die er in besserer Gemütsverfassung ganz sicher kaum betreten hätte. Irgendwie hatte der Südstaatler den Eindruck, dieser Frau dort war es nicht viel anders ergangen. Ein wenig verlegen lächelte sie ihm zu.
    »Nun, seltsame Art sich kennenzulernen, richtig?« Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter und verbindlicher. So wenig wie van Zant schien sie sich sicher zu sein, überhaupt mit dem anderen reden zu wollen. Es war van Zant, der sich schließlich einen Ruck gab - ein Gespräch, ein guter Bourbon…
    Nichts sprach dagegen.
    »Darf ich Sie denn zu einem Glas einladen?«, fragte er. »Ich meine… nur wenn es Ihnen denn nicht unangenehm ist, natürlich.«
    Es war ihr nicht unangenehm, ganz und gar nicht.
    Keine dreißig Minuten später wussten sie bereits so einiges voneinander. Artimus hatte sich nicht getäuscht - sie war Mexikanerin, lebte jedoch seit einem Dutzend Jahren in den USA, denn hier in Texas hatte man ihr einen hervorragenden Job angeboten. Sie hieß Carmen Garcia Älcarez, war - wie sie frei heraus erzählte - 39 Jahre alt, zweimal geschieden, kinderlos… und Biologin mit dem Fachgebiet der Pflanzenphysiologie.
    Artimus' fragender Ausdruck auf seinem Gesicht war unübersehbar. Carmen lachte.
    »Pflanzenphysiologie ist die Wissenschaft von den Lebensvorgängen der Pflanze, besonders von deren biochemischen Grundlagen. Also von der Wurzel bis zum Blatt, wenn Sie so wollen. Ein weites Gebiet.«
    Wurzel … der Begriff reichte vollkommen aus, um vor Artimus' geistigem Auge das Bild von Armakath entstehen zu lassen. Jede weiße Stadt entstand erst durch ihre ureigene Wurzel. Die Tatsache, dass sie die Wurzel Armakaths zum Wohl der Stadt manipuliert hatte, war der Wächterin zum Verhängnis geworden.
    Van Zant schüttelte die Gedanken daran von sich ab. Gerade um nicht daran zu denken, war er doch hierhergekommen. Armakath lag eingebettet und umschlossen von der unheimlichen Magie des Praetors, dieses nicht zu durchschauenden Gesandten der Herren der weißen Städte, in den Schwefelklüften. Wie lange der Dornröschenschlaf der Stadt andauern mochte, das wusste niemand zu sagen. Also war es für den Physiker an der Zeit, sich endlich wieder einmal um sein eigenes Leben zu kümmern.
    Der Abend verging wie im Fluge. Irgendetwas an dieser Frau fesselte van Zant - und dieses Interesse schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Irgendwann begann die Bar sich zu leeren, doch es dauerte, bis die beiden in ihr intensives Gespräch Vertieften bemerkten, dass sie die letzten Gäste waren.
    Es gab keinerlei Absprachen, als sie gemeinsam die Bar verließen. Wie selbstverständlich gingen sie nebeneinander die Straße entlang. Ein Ziel würde sich bestimmt von alleine ergeben.
    Bevor sie an der nächsten Kreuzung links einbogen, kam ihnen eine leicht schwankende Gestalt entgegen, die eine Art Turban auf dem Kopf trug. Der Mann, dessen Turban sich als dicker Mull verband entpuppte, registrierte das Pärchen überhaupt nicht - er steuerte schnurstracks auf die Bar

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