0859 - Ring der Gewalt
sichelförmig im Osten des Ringes entlangzog. Ein Gefühl, das er nur zu gut kannte, packte ihn. Seine Augen bewegten sich schnell hin und her. Überall zitterten Blätter, Gräser und Äste, rund um diesen Teil des Waldes gab es Leben. Nichts deutete jedoch auf Gefahren hin, absolut nichts. Trotzdem blieb dieses Gefühl, zusammengesetzt aus Furcht und kalter Entschlossenheit.
Fünf, sechs Männer mit großen Stücken Fleisch, mit halben Tieren oder Vierteln auf den Schultern, marschierten an Hytawath vorbei. Der Jäger stand bewegungslos da, die Waffe in der rechten Hand. Der Lauf deutete senkrecht nach oben, der Zeigefinger im schwar-zen Handschuh krümmte sich um den Auslöseknopf. Der Jäger wartete auf etwas; er konnte nicht sagen, worauf.
Ein großes Netz aus Pflanzenfasern, an einer federnden Holzstange getragen, zog vor ihm vorbei. Als Hytawath den Kopf senkte, zuckte er zusammen. Unter seinen Stiefelsoh-len breiteten sich die scharfen Halme des Grases sternförmig nach allen Seiten aus und zitterten leise. Es war eindeutig - er befand sich, ohne es gemerkt zu haben, bereits wie-der innerhalb des Ringes der Gewalt. Die Pflanzen flohen vor ihm, zogen sich vor der Au-ra seiner Immunität zurück.
Vor ihm ertönte ein langgezogener, scharfer Schrei. Mit rasender Geschwindigkeit brach zwischen den zurückschnellenden Büschen ein massiges, schwarzes Tier hervor und ga-loppierte auf ihn zu. Hytawath sah nur einen Wirbel von Hufen und Gliedmaßen, zwei rie-sige Augen und blitzende Hörner, die in nadelfeine Spitzen ausliefen. Einige Träger schrieen auf und stoben zur Seite. Der Jäger senkte die Waffe und feuerte zweimal.
Zwischen dem Waldrand und ihm betrug die Distanz nicht mehr als vierzig Meter. Die Hälfte dieser Strecke war bereits zurückgelegt. Das Tier hatte den Schädel gesenkt, die weißen Glutbahnen der aufröhrenden Waffe trafen auf dicke Schichten aus Horn oder Knochen und verbrannten das schwarze Fell, aber die Treffer erzeugten keinerlei sichtba-re Wirkung.
„Jäger! Zur Seite!" kreischte der Hetman und schleuderte einen Speer, der von dem Ge-hörn des Tieres abprallte und zu Boden fiel.
Hytawath bezwang seinen Schrecken, senkte den Lauf des Strahlers und schoß auf die Vorderläufe. Das Tier war bis auf zehn Meter herangekommen, schrie abermals und kümmerte sich nicht um die Flammen und den schwarzen Qualm, die zwischen den Hör-nern aufstiegen und den Kopf umwölkten. Wieder dröhnte schmetternd die schwere Waffe auf. Der Strahl schoß waagrecht durch die Luft und zitterte hin und her. Die Energie trenn-te beide Vorderläufe dicht über dem Kniegelenk ab, dann sprang Hytawath mit mehreren Sätzen nach links, stolperte und überschlug sich im Gras, das geradezu ängstlich vor ihm auswich. Er sah nicht, daß eine Handvoll der giftigsten Vipern, die es gab, vor ihm in alle Richtungen flüchtete. Der Jäger versuchte, trotz des schweren Sturzes weder die Waffe zu verlieren noch den Blick auf den neuen Angreifer zu vergessen. Noch im Liegen schoß er abermals und traf mit einem flüchtigen Schuß das Tier hinter den Gelenken der vorde-ren Gliedmaßen; ein Blattschuß, der normalerweise tödlich war.
Aber noch immer rannte das Tier. Es warf sich in ungefügen Sätzen, nur von den mächtigen Hinterbeinen vor-wärtsgerissen, im rechten Winkel herum und nahm abermals den Gegner an. Aus der Kehle des schwarzen Ungeheuers kam ein lautes Heulen. Es war ein Schrei, der selbst die eingeborenen Jäger in Furcht und Schrecken versetzte. Nur der Hetman behielt die Ruhe des erfahrenen Kämpfers. Sein Speer, aus einer Entfernung von sieben oder acht Metern geschleudert, bohrte sich mit einem dumpfen Geräusch vier Handbreit tief in den dicken Hals des Tieres.
Drei Schritt vor Hytawath brach der Koloß zusammen. Blut sprudelte aus dem aufgeris-senen Rachen. Das Fell zwischen den Hörnern brannte und schmorte. Ein letztes Mal schlugen die Hinterfüße aus und gruben zwei tiefe Furchen in den harten Boden. Dann atmete Borl hörbar aus und senkte die Waffe. Der Speerschaft wippte noch immer leicht hin und her.
„Ich hab's erwartet!" knurrte Hytawath. Seine Augen schlossen sich zu schmalen Schlit-zen. Abermals war eine Kriegserklärung der Evolution von Vorcher Pool erfolgt, und nur haarfeine Zufälligkeiten hatten ihn vor dem sicheren Tod bewahrt. Keuchend kam der Hetman heran und stieß hervor, seine Hand um den Arm des Jägers legend: „Schlechte Jagd. Wir ihm machen tot, kah?"
„Teuflische Jagd, mein
Weitere Kostenlose Bücher