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0861 - Gefangene der Namenlosen

0861 - Gefangene der Namenlosen

Titel: 0861 - Gefangene der Namenlosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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»Wolltet ihr sie nicht etwas fragen? Wolltet ihr das nicht?«
    Sie nickten.
    »Dann los!«
    »Du wolltest uns töten!«
    Es war keine Frage gewesen, sondern eine Feststellung, und Naomi zuckte zusammen. Sie wußte, daß sie auf diese Frage keine Antwort geben konnte. Was immer sie auch alles sagen würde, es war sowieso nicht richtig.
    »Stimmt es?« fragte der andere Zwilling.
    »B… bitte … ich … ich …«
    »Sie bittet«, sagte der rechte und lachte.
    »Ja, sie bittet, weil sie Angst hat.«
    Zwei gnadenlose Augenpaare schauten die Frau an. Vergeblich versuchte sie dort, ein Gefühl zu finden, eine Gemeinsamkeit, die es zwischen Mutter und Kind geben mußte.
    Gleichzeitig sagte sie sich, daß auch sie nichts für ihre Kinder empfand. Sie waren ihr nicht nur fremd, sie waren ihr auch verhaßt, und sie schaute jetzt zu, wie tief in den Pupillenschächten das dämonische Leuchten hervorstieg, um sich anschließend in den Augen auszubreiten, als wollten ihr die beiden ein besonderes Signal geben.
    Gitta war zurückgetreten. Sie freute sich über die Behandlung der Frau. Und sie hetzte weiter. »Denkt immer daran, daß euch eure Mutter vernichten wollte. Mit einer Lanze wollte sie euch durchbohren oder mit einem Schwert. Jedenfalls hat sie euch gehaßt.«
    »Sei doch ruhig!«
    »Oh, sie hat Angst, daß die Wahrheit gesagt wird. Keine Sorge, deine Kinder wissen alles, und sie wissen auch, was sie zu tun haben.«
    Es war wie ein Stichwort.
    Plötzlich setzten sich beide in Bewegung. Das heißt, sie brauchten nur die Arme auszustrecken und die Oberkörper etwas vorzubeugen, schon konnten sie Naomi anfassen, die sich zwar mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt hatte, was ihr aber nichts half, denn die beiden Jungen waren schneller und kräftiger.
    An ihren Ellbogen spürte sie die Griffe. Im nächsten Augenblick bewiesen ihr die Zwillinge, mit welchen Kräften sie ausgestattet waren. Als wäre nichts dabei, hoben sie den Körper der Frau an, der für sie so leicht war wie für einen Menschen eine Feder.
    Während aus Naomis Mund ein erschreckter Laut drang, fing Gitta an zu lachen, und sie gab gleichzeitig ihren häßlichen Kommentar. »Sie werden dich zerreißen. Sie werden dich in der Luft in Stücke reißen, so wie sie es gewohnt sind. Sie werden keine Rücksicht kennen, denn du hast sie töten wollen, du allein!«
    Naomi schwieg. Sie hatte sich verkrampft. Jede Funktion ihrer Organe schien stillzustehen. Die Zeit kam ihr vor, als würde sie vor ihr weglaufen.
    Ihre Söhne hatten sie angehoben und die Arme dabei gestreckt.
    Zwischen ihnen schwebten sie über den Köpfen der Zwillinge.
    Es war für Naomi eine unwürdige Haltung auch deshalb, weil Gitta zuschaute und sich freute. Die Anführerin der Namenlosen Nonnen gab zwar keinen Kommentar ab, nur war ihr anzusehen, daß sie sich den Tod der jungen Frau wünschte. Sie hatte ihre Pflicht und Schuldigkeit getan, sie brauchte nicht mehr zu leben, letztendlich lebte auch Josephiel nicht mehr. Da hatte sie ebenfalls ihr Recht verwirkt.
    Naomi dachte anders. Sie war das Beutestück ihrer eigenen Kinder geworden. Sie schwebte zwischen ihnen, zwar von ihnen gehalten, was ihr persönlich jedoch keinen Schutz oder Sicherheit gab. Sie konnte sich durchaus vorstellen, von diesen beiden zerrissen zu werden, und trotz dieser drohenden Angst lief noch einmal in ihrer Erinnerung ab, was sie durchgemacht hatte.
    Sie war Josephiel verfallen gewesen. Sie hatte ihn geliebt. Sie hatte dieser wilden Liebesnacht am Fluß zugestimmt. Und sie hatte letztendlich diese Kinder zur Welt gebracht, die den Namen nicht verdienten, denn sie waren nicht mehr als kleine, rasch wachsende Monstren.
    Und sie war beinahe dem Wahnsinn verfallen gewesen, hatte sich aber wieder erholt, auch eine winzige Hoffnung geschöpft, und jetzt das hier.
    Würde sie sterben? Durch die Hand ihrer eigenen Kinder? Wenn es nach Gitta ging, bestimmt, und eigentlich wartete sie nur auf den Augenblick, wo alles vorbei war.
    Schreie peinigten ihre Ohren. Gleichzeitig spürte sie das Zittern der beiden Griffe. Naomi wurde gedreht und auf das Bett zurückgeschleudert, wo sie wuchtig aufprallte und wieder hochfederte.
    Erst dann hatte sie sich von dem Schreck erholt und saß normal auf dem Bett.
    Geschrien hatten ihre beiden Söhne!
    Auch Gitta konnte nicht begreifen, was da vorgefallen war. Sicherheitshalber hatte sie sich etwas zurückgezogen, als könnte sie nicht mit anschauen, wie stark sich »ihre« Kinder verändert

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