0861 - Manege der Hölle
nicht…« Der Dämon riss sich zusammen, legte seine lange geübte und perfekt beherrschte Arroganzmine auf. »Aber was mache ich mir da Gedanken? Du wolltest wissen, ob deine… egal… ob Nicole hier ist. Antwort: Ja. Ich kann ihre Präsenz spüren, jedoch nur schwach, wie durch dichten Nebel hindurch. Du wolltest wissen, wo sie ist - bitte, ich zeige es dir, aber mache mir dann keinen Vorwurf.«
Die Dämonenfratze verschwand, machte dem Bild einer Steinwüste Platz. Zamorra und Laertes wechselten einen raschen Blick. Das Bild verschob sich fließend, wurde zu einer Art Rundumsicht, die 360 Grad umfasste. Eine mehr als deprimierende Gegend, das stand außer Frage - Steinbrocken, Geröll… bis zum Horizont und sich darüber hinaus. Mehr gab es dort nicht zu sehen.
Die Optik änderte sich erneut, machte Vassagos Miene Platz.
»Mehr kann ich dir nicht sagen, nicht zeigen. Dein Weib ist… irgendwo dort.«
Zamorra wollte mehr aus dem Dämon herauskitzeln. »Was befindet sich dort unter der Erde? Oder gibt es größere Felsmassive, in denen man sich verbergen kann? Komm schon, ein wenig mehr musst du schon sagen.«
»Nichts, was ich spüren könnte. Aber jetzt lass mir meine Ruhe, Zamorra. Belästige mich nicht länger wegen einer Frau… such dir eine neue!«
Zamorra reagierte blitzschnell, ehe Vassago sich zurückziehen konnte. So lange der Spiegel noch aktiv war, konnte man den Dämon durchaus attackieren. Nicht entscheidend, doch allemal so spürbar, dass er seine Lektion lernen sollte.
»Gewöhne dir gefälligst eine höfliche Ausdrucksweise an!« Zamorras Zeigefinger stieß nach vorne, bohrte sich direkt in Vassagos linkes Auge. Kreisförmige Wellen zerstörten die ruhig daliegende Wasserfläche.
Ein Kreischen erfüllte die Luft -Volltreffer. »Das büßt du mir irgendwann, verdammter Mensch. Du… du… Mensch!«
Laertes sah zu, wie Zamorra achtlos den Inhalt des Nachtopfs im Spülstein entleerte. »Mensch? Ein besseres Schimpfwort fiel ihm nicht ein?«
Der Parapsychologe zuckte mit den Schultern. »Besonders clever und ideenreich ist Vassago noch nie gewesen. Aber was nun? Vassago kann nicht lügen, wenn er beschworen wurde. Nicole muss irgendwo dort sein. Kennst du diese Gegend der Schwefelklüfte?«
Laertes verneinte. Seine Ortskenntnisse der Hölle waren eher mangelhaft. Nur wenn es nicht anders ging, hatte er sich in den vergangenen Jahrhunderten dort aufgehalten. Sein Gebiet war immer die Welt der Menschen gewesen, denn nur von dort aus konnte er seine Ziele verfolgen. Und dort hatte er auch immer den Schlüssel zu den Geheimnissen seiner eigenen Vergangenheit vermutet.
»Aber ich kann uns dorthin bringen. Wenn ich einen Ort optisch erfasst habe, ist das kein Problem für mich.«
Zamorra nickte. »Für dich nicht… aber für die Person, die den Sprung mit dir macht.« Der Professor sprach die Schmerzen an, die bei einem zeitlosen Transport mit dem Vampir auftraten. Mehr als einmal hatte er diese Torturen bereits hinter sich.
Dalius Laertes lächelte den Parapsychologen vielsagend an. »Ohne eigene Opfer erreicht man nur selten sein Ziel.«
Zamorra verdrehte die Augen. Das Letzte, das er nun brauchen konnte, waren die Weisheiten eines Vampirs…
***
Du kannst nicht aus deiner Haut…
Was war das für ein seltsamer Traum, der mit diesen Worten endete?
Mit Haut und Haaren… skin to skin… das Fell des Bären…
Kein Traum - Worte, Sätze, die ihr Unterbewusstsein flüsterte, bis sie endlich erwachte. Rasende Kopfschmerzen drangen ganz plötzlich auf sie ein, als der Schutz der Bewusstlosigkeit nicht mehr griff. Bewusstlos? Warum?
Mit beiden Händen griff sie an ihre Stirn…
Mit beiden Pfoten griff sie an ihre Stirn…
Nicole Duval schrie auf. Hände -Pfoten - samtweiches Fell.
Fell, keine glatte und kühle Haut. Die Französin schloss noch einmal die Augen, versuchte sich selbst von den Gipfeln der aufkeimenden Panik fernzuhalten. Es wollte ihr einfach nicht gelingen.
Gefahr - unbekannte Gefahr! Was hier auch ablief, sie war etwas oder jemandem ausgeliefert, war verändert worden. Erst ganz langsam, wie durch einen viel zu engen Trichter, drangen die Erinnerungen nach vorne.
Lyon - Einkaufsbummel - unerträglich intensive Gerüche - die kleine Boutique - dieses Krummbein…
Das alles machte wahrlich keinen Sinn, ergab kein Ganzes; winzige Stücke einer Torte, deren ganze Form sie nicht einmal erahnte.
Eine Sache jedoch war klar - sie war gefangen, sie war allein. Zamorra
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