0866 - Aura des Unheils
die es hier gab.
Nchr wollte Ilma eine Warnung zurufen, als sich vor ihr eine Fallgrube auftat und sie sich anschickte, hineinzuspringen. Dabei stockte sein Schritt unwillkürlich.
Zwei stählerne Greif arme schnellten aus den Wänden, tasteten blitzschnell mit Sensorfeldern und legten sich dann zielstrebig um seinen Hals.
Ein Mensch wäre verloren gewesen. Nchr jedoch ließ seinen Kopf und den Hals zwischen den stählernen Fingern hindurchfließen, eilte weiter und stellte die normale Körperform Pedars wieder her.
Als er an der Fallgrube ankam, sah er die Bestie rund acht Meter tief auf blutverschmiertem Grund hocken. Der Kopf des Wesens, das ein Säbelzahntiger mit Echsenhaut und Stummelflügeln sein konnte, ruckte hoch. Die gelben Augen stierten gierig. Das Maul öffnete sich, und der Gys-Voolbeerah blickte in einen dampfenden Rachen und auf große, scharfe Reißzähne, an denen rote Schaumflocken hingen.
Mit gellendem Kampfgeschrei stürzte sich Nchr auf die Bestie.
Er erreichte sie nicht, denn das Transmitterfeld, das unsichtbar zwischen ihm und der Bestie lag, entstofflichte ihn und schleuderte seine hyperenergetische Entsprechung durch ein fünfdimensionales Kontinuum zu einem anderen Transmitter, der ihn rematerialisierte.
Allerdings befand sich der andere Transmitter nicht zwischen Öffnung und Boden einer Fallgrube, sondern in einem Wald aus riesigen Bäumen mit grausilbernen Stämmen, die in Abständen von durchschnittlich drei Metern säulenhaft aus dem Boden ragten und irgendwo ab zwanzig oder dreißig Metern Höhe belaubte Zweige an steifem Astwerk trugen.
Der Waldboden war frei von jeglichem Unterholz. Er federte unter jedem Schritt und hatte etwas so Unwirkliches an sich, daß es auf zartbesaitete Gemüter unheimlich gewirkt hätte.
Nchr erblickte die Akonin rund zehn Meter vor sich. Sie starrte noch immer den Kristall an und bewegte sich schlafwandlerisch zwischen den Bäumen hindurch, die in größerer Entfernung optisch eine undurchdringliche Mauer bildeten. Hier herrschte eine düstere Helligkeit.
Der Molekülverformer eilte ihr nach, während er sie keinen Moment lang aus den Augen ließ. Aber die zehn Meter, die sie vor seiner Ankunft schon gegangen war, vermochte er nicht zu rekonstruieren. Es gab auch keine Fußspuren, nach denen er sich hätte richten können.
Deshalb war er darauf gefaßt, in eine weitere Falle zu laufen. Aber als sie zuschlug, überraschte ihn der Schmerz mit seiner Brutalität so sehr, daß er laut schrie.
Ilma von Rohan wirbelte herum. Die Kette mit dem Medaillon entglitt ihren Händen. Sie merkte es nicht einmal, sondern starrte nur, von Entsetzen wie gelähmt, auf das zuckende Etwas, das einmal ein Mensch gewesen sein mochte.
Als es Nchr gelungen war, den Schmerz unter bewußte Kontrolle zu bringen, und er sich bewegte, um sich wieder zusammenzufügen, wirkte das auf die Akonin so grauenhaft, daß sie gellend schrie.
Sie hörte erst auf damit, als der Gys-Voolbeerah sich vollständig regeneriert hatte und sie packte und schüttelte. Er überlegte dabei, wie er ihr die Erinnerung an die letzten Minuten nehmen könnte, denn sie hatte ihn als breiige, zuckende Masse gesehen und mußte sich klar darüber sein, daß sich daraus niemals ein Akone oder ein anderes normales Lebewesen regenerieren konnte.
Was eigentlich geschehen war, konnte Nchr nur rekonstruieren, denn der „Tod" war zu schnell gekommen. Offenbar war kalte geballte Energie gegen ihn geschleudert worden und hatte seinen Körper total zerschmettert.
Ein Mensch wäre tot gewesen, bevor er überhaupt merkte, daß etwas mit ihm geschah. Das traf auch auf alle anderen normalen Lebewesen zu. Und es machte dem Molekülverformer klar, daß der Schmerz, den er gefühlt hatte, nicht brutal gewesen war, denn er war für den Schöpfer aller Fallensysteme der Unterwelt undenkbar gewesen. Anson Argyris hatte bei der Konstruktion der Hölle nichts von Molekülverformern gewußt und nicht geahnt, daß es intelligente Lebewesen gab, die so lange nicht starben, wie die Mehrzahl ihrer Einzelmoleküle unversehrt blieb. „Was ... was ist los, Pedar?" fragte Ilma tonlos.
Pedar? durchfuhr es Nchr. Wie kann sie mich noch Pedar nennen, wenn sie gesehen hat...?
Dann sah er ihren leeren Blick, bemerkte, daß die Kette mit dem Medaillon fehlte - und begriff.
Ilma mußte alles vergessen haben, was unter dem Einfluß des Kristalls geschehen war - und anscheinend hatte der Einfluß noch einige Minuten angehalten,
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