087 - Bei Vollmond kommt der Tod
Folgen nach sich ziehen würde?
Dumpf war Delacortes Körper aufgeschlagen, doch er blieb nicht liegen. Der Werwolf verdaute den Sturz besser als Mr. Silver.
Er sprang sofort wieder auf, hob den Kopf und stieß ein zorniges Knurren aus, aber er kletterte den Felsen nicht wieder empor, ließ von Tony Ballard ab und seine Maschine im Stich.
Jetzt warf er sich herum und suchte das Weite, doch Mr. Silver wollte ihn nicht entkommen lassen.
Da war noch eine Rechnung offen!
Der Hüne mit den Silberhaaren folgte dem Scheusal. Allerdings vermochte er sich nicht so schnell und wendig zu bewegen wie der Wolf, der sich hier gewissermaßen in seinem Revier befand.
Nirgendwo fand sich der Wolf besser zurecht als in dieser endlosen Weite des Waldes. Er war wie geschaffen für diese Umgebung, war im Gegensatz zu Mr. Silver kein Eindringling.
Er gehörte hierher.
Dennoch versuchte der Ex-Dämon dranzubleiben.
Aber es fiel ihm nicht leicht. Alain Delacortes Vorsprung wurde größer. Mr. Silver setzte seine kräftemäßige Überlegenheit ein. Er breschte wie ein Sherman-Panzer durch das Unterholz, brach Zweige ab, stieß Äste zur Seite.
Der Werwolf rannte geduckt. Geschickt nutzte er die natürlichen Gegebenheiten aus und wandelte sie für sich in kleine Vorteile um, die sich mit der Zeit summierten.
Delacorte warf einen Blick zurück. Grauenerregend sah seine Wolfsfratze mit den gebleckten Raubtierzähnen aus.
Wenn er in diesem Tempo weiterlief, würde er den Verfolger bald abgehängt haben.
Mit einem weiten Satz übersprang er einen Einschnitt im Waldboden, ein trockenes Bachbett, dessen Verlauf er sodann folgte.
Stellen wollte er sich nicht. Dieses Ding, das Tony Ballard um den Hals trug, hatte ihm höllische Qualen bereitet und ihn geschwächt.
Er brauchte eine Verschnaufpause, mußte sich erholen, neue Kräfte sammeln.
Es war nicht Angst, die ihn davonlaufen ließ, sondern die Vernunft, die ihn erkennen ließ, daß Flucht in dieser Situation das Klügste war.
Vor ihm glänzte ein kleiner Weiher. Schwarz wie Tusche sah das Wasser aus. Schilf wuchs an einigen Stellen, und das Ufer war unterwachsen.
Deshalb gab das Erdreich plötzlich unter dem Ungeheuer nach. Es brach ab, und der Werwolf stürzte.
Er drehte sich während des Fallens und landete im Weiher. Das Wasser war kühl und nahm das Monster mit großen nassen Armen auf. Es umschlang ihn und zog ihn nach unten, doch Alain Delacorte stieß sich vom schlammigen Grund kraftvoll ab und erreichte wieder die Oberfläche.
Gierig pumpte er Luft in seine Lunge. Er sah den Ex-Dämon durch den Wald jagen und schwamm auf eine Schilfgruppe zu, in der er sich versteckte.
Augenblicke später erreichte Mr. Silver den Weiher. Er blieb stehen, blickte sich suchend um. Dann entdeckte er das abgebrochene Erdreich. Es gab nach, als er es belastete. Er trat schnell einen Schritt zurück.
Entweder hatte sich der Wolf im Schilf versteckt, oder er hatte den Weiher durchschwommen und war am gegenüberliegenden Ufer aus dem Wasser gestiegen.
Der Ex-Dämon lief um den ovalen Weiher herum, fand aber keine Spuren. Folglich mußte sich die Bestie im Schilf verkrochen haben.
Während der Hüne noch überlegte, wo er Delacorte suchen sollte, schlich dieser vorsichtig durch das kleine Schilfsdickicht und flüchtete sofort in den daran grenzenden Wald.
Wenig später entdeckte der Ex-Dämon die Spuren des Monsters, doch diesmal war Alain Delacortes Vorsprung so groß, daß es keinen Sinn mehr hatte, die Verfolgung fortzusetzen.
Dem Ex-Dämon fiel sein Freund ein, der vielleicht Hilfe brauchte. Das war ein triftiger Grund für Mr. Silver, umzukehren.
***
Ich tastete mich vorsichtig die letzten Meter den Fels herab, mit Schuhspitzen und Fingern Halt suchend. Die letzten zwei Meter bis zum Boden ließ ich mich fallen. Als ich abfederte, vernahm ich ein Geräusch hinter mir.
Delacorte! durchzuckte es mich, und ich flitzte herum. Der Revolver sprang mir förmlich in die Hand, doch die Aufregung war nicht nötig, denn der Mann, der groß und breitschultrig zwischen den Bäumen hervortrat, war Mr. Silver.
»Wenn du schießt, fange ich die Kugel mit den Zähnen und spuck' sie dir vor die Füße«, sagte der Ex-Dämon grinsend.
»Er hat schon wieder die große Lippe«, sagte ich kopfschüttelnd und rammte die Kanone ins Leder. »Mein Junge, du solltest den Kopf beschämt hängenlassen, und zwar ganz tief.«
»Aus welchem Grund?«
»Das fragst du noch? Was hat Delacorte mit dir gemacht?
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