0870 - Plondfair, der Berufene
seinen Griff auch nicht, als der Kryn sich zu entfernen versuchte.
„Sie sind verrückt geworden?" rief der Priester. „Wissen Sie, was es bedeutet, einen Kryn anzugreifen? Das ist wie ein Angriff gegen das Alles-Rad."
„Ich wüßte nicht, was das mit dem Alles-Rad zu tun hat", versetzte Plondfair trocken.
„Außerdem bin ich bereit, Sie sofort loszulassen, wenn Sie mir sagen, was mit mir geschehen wird."
„Das wissen Sie doch! Sie kommen zum Treffpunkt. Von dort aus wird man Sie später zusammen mit den anderen Berufenen nach Välgerspäre bringen." Er sah Plondfair abschätzend an. „Allerdings bezweifele ich, ob Sie die richtige Wahl sind."
„Ich will nach Wallzu!" sagte Plondfair grimmig.
„Mit den Kranken?" Der Kryn lachte geringschätzig. „Das wird man Ihnen auf keinen Fall gestatten."
„Das befürchte ich auch", sagte Plondfair wütend und stieß den Mann von sich.
Der Kryn rappelte sich wieder auf.
„Ich melde Sie!" zischte er.
Plondfair kümmerte sich nicht um ihn, sondern rannte davon. Sein erster Impuls war, Gainth zu suchen und ihn zu überreden, daß er ihm gestattete, mit nach Wallzu zu gehen.
Doch die Sinnlosigkeit eines solchen Versuchs kam ihm schnell zu Bewußtsein. Wenn er Pech hatte, ließ Gainth ihn in der Kabine einsperren, dann verlor er jede Hoffnung, Koßjarta noch einmal zu sehen.
In diesem Augenblick kam ihm eine kühne Idee.
Warum sollte er nicht versuchen, heimlich an Bord eines der Beiboote zu gelangen?
Die Besatzung der 4-BIRSCHOR war jetzt mit dem Annäherungsmanöver an Wallzu beschäftigt, während sich die Priester und die Ärzte um die Kranken kümmern mußten.
Das bedeutete, daß niemand an Bord ein Augenmerk auf Plondfair haben würde, ganz abgesehen davon, daß ihm sicher niemand zutraute, daß er fliehen könnte.
Die Beiboothangars lagen in einem anderen Teil des Schiffes. Wenn Plondfair seinen Plan in die Tat umsetzen wollte, mußte er dorthin gelangen und das möglichst, ohne von jemand dabei gesehen zu werden. Damit stand das ganze Unternehmen von Anfang an unter einem gewissen Zeitdruck, denn die Beiboote wurden wahrscheinlich bereits besetzt, bevor das Schiff in einen Orbit ging und mit ihrer Ausschleusung begonnen wurde. Nun kam Plondfair seine Schulung an Bord von wyngerischen Raumschiffen zustatten. Er wußte genau, wohin er sich zu wenden hatte. Er kannte auch die Gänge und Räume, in denen sich nur selten Besatzungsmitglieder oder Passagiere aufhielten. Es gab jedoch Passagen, wo die Gefahr einer Entdeckung groß war: Antigravschächte und Durchgänge zu den Zwischendecks. Dort mußte er sich auf sein Gehör und sein Glück verlassen. Sollte man ihn trotzdem entdecken, würde er versuchen, sich herauszureden.
Plondfair war sich darüber im klaren, daß die eigentlichen Schwierigkeiten erst innerhalb eines Hangars begannen, denn dann stand er vor dem Problem, in eines der Beiboote zu gelangen, und er hatte noch nicht die geringste Vorstellung davon, wie er das schaffen sollte. Doch das konnte er erst an Ort und Stelle entscheiden, wenn er die Verhältnisse übersehen und richtig einschätzen konnte. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß niemand in seiner Nähe war, setzte er sich in Bewegung. Obwohl er schnell ging und ganze Strecken im Lauf zurücklegte, blieb er immer wieder stehen, um auf sich nähernde Schritte zu lauschen. Unangefochten erreichte er den nächstgelegenen Antigravschacht.
Um zu den Hangars zu gelangen, mußte er zwei Decks höher steigen. Von dort aus gab es mehrere Möglichkeiten, die äußeren Bezirke des Schiffes zu erreichen, wo sich die Beiboote befanden.
Es kam Plondfairs Absichten entgegen, daß man die Hilfesuchenden bereits in die Kleinstraumschiffe gebracht hatte. Er mußte also nicht damit rechnen, einem Krankentransport zu begegnen. Trotzdem sprang er erst in den Antigravschacht, nachdem er sicher sein konnte, daß auch auf dem darüber liegenden Deck niemand in der Nähe war. Er schwebte langsam nach oben, schwang sich aber nicht auf die Landeplattform, sondern klammerte sich mit den Händen daran fest, um über ihren Rand zu spähen. Die sich sternförmig vom Schacht entfernenden Gänge lagen verlassen vor dem Lufken. Plondfair zog sich auf die Plattform und richtete sich auf. Diese Anstrengungen hätten einen normalen Wynger außer Atem gebracht, Plondfair dagegen belasteten sie in keiner Weise. Sein durchtrainierter Körper bewältigte solche Aufgaben geradezu spielend.
Der Berufene wählte
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