0870 - Tabitas Trauerhalle
Scheune teilte. Der nächste Schritt brachte sie auf ihren Astralleib zu, der sehr schwach geworden war - nur mehr ein zuckender Schemen -, den sie allerdings erreichen wollte.
Dann erwischte sie das Verhängnis.
Ein glühendes Netzteil fiel von der Decke herab. Es hatte sich am längsten gehalten und machte auf mich den Eindruck eines brennenden Gitters, als es nach unten segelte.
Zuerst dachte ich, daß es an Tabita vorbeigleiten würde. Es war eine Täuschung, denn mit einer schrägen Bewegung sank es genau auf die Frau zu - und erwischte den vor ihrem Gesicht hängenden Schleier, in dem es sich festhakte.
Der dünne Schleier fing sofort Feuer. Es verwandelte sich in ein glühendes und sprühendes Netz, umtanzt von kleinen, winzigen Flämmchen, die nicht dort blieben, wo sie entstanden waren, sondern in ihrer Gier weitere Nahrung suchten.
Am nächsten lagen Tabitas Haare.
Und die gierten ebenfalls nach dem Feuer. Wir hörten noch das Knistern, dann hatte die Frau plötzlich einen brennenden Schopf. Ich hatte zu lange gewartet, ich wollte sie retten, aber ich kam zu spät. Sie rannte wie ein Irrwisch auf die normale Tür zu, zerrte sie auf und sprang aus der Scheune, bevor meine Hand noch nach ihr greifen und sie zurückzerren konnte. Tabita rannte ins Freie, wo der Wind sie erwischte und die Flammen von neuem anfachte.
Ich hetzte ihr nach. Obwohl ich nicht eben zu den langsamen Menschen gehöre, war es mir kaum möglich, aufzuholen. Tabita lief auf ein Feld, und für einen Moment kam sie mir vor wie eine in Flammen stehende Vogelscheuche.
Ich hörte ihr Lachen.
Es klang wahnsinnig, von Schmerzen gezeichnet, aber sie lachte, und sie sank im Moment zusammen, als ich bei ihr war und mit meiner Jacke versuchte, die Flammen zu ersticken.
Das gelang mir auch.
Tabita hatte ich nicht mehr retten können. Sie lag tot vor mir, angekohlt und verbrannt.
Nur das Weiße ihrer Augen glotzte mich an.
Ich ließ sie zunächst auf dem Feld liegen und ging wieder zurück in das verlassene Trauerhaus.
***
Dort fand ich Jane Collins vor. Sie hatte bereits auch den anderen Teil der Trauerhalle durchsucht und sich zwei Kerzen mitgenommen. In ihrem Schein hockte sie auf dem Boden, neben einer reglos daliegenden Gestalt, die wir nie zuvor gesehen hatten, obwohl wir wußten, wer diese junge Frau war.
»Das ist sie, John!« flüsterte Jane und sagte dann: »Verdammt noch mal, ich weiß nicht, warum sie starb.«
»Sie gab ihre Seele, und dich hätte es beinahe auch erwischt.«
»Ja, das stimmt«, murmelte sie. »Tabita hat es geschafft. Sie war tatsächlich in der Lage, ihren Astralleib zu stärken.« Jane schaute mich an und schüttelte den Kopf. »Es gibt immer wieder neue und böse Überraschungen. Weißt du, wo das noch hinführen soll?«
»Nein, ich weiß es nicht. Und es ist auch gut so, denke ich.«
»Vielleicht hast du recht«, erwiderte Jane. Ich half ihr beim Hochkommen. Sie schwankte noch etwas und wurde von mir gestützt. So verließen wir die Trauerhalle, froh, wieder einmal mit dem Leben davongekommen zu sein…
ENDE
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