0872 - Die Urbanen
die ihn fraß, ihn ganz einfach schluckte.
Alles dauerte keine zwei Sekunden. Ehe Nicole überhaupt reagieren konnte, war es schon vorbei. Blanker Hass schoss in ihr hoch. Ihre rechte Hand umklammerte den Dhyarra-Kristall. Es fiel ihr unsagbar schwer, sich in diesem Moment zu konzentrieren, doch nur so konnte sie den Kristall erfolgreich einsetzen.
Warum hatte Merlins Stern nicht reagiert?
Sie versuchte ihr Denken frei zu bekommen. Zum Analysieren war jetzt nicht der richtige Moment. Denn der Praetor griff sie an! Nicole versuchte einen Schutzschild aus Dhyarra-Energie zwischen sich und der Kreatur aufzubauen.
Vergeblich, denn der Praetor war einfach zu schnell, zu präsent und vorbereitet. Ein reiner Klang brandete auf die Französin zu. Ein einziger langgezogener Ton nur, doch der beendete jeden Versuch einer Aktion ihrerseits abrupt.
Der Klang wand sich um Nicole, hüllte sie komplett ein, wurde zu fester Materie. Nicole blieb bei Bewusstsein, doch sie war gelähmt - eine lebende Skulptur, nicht einmal fähig, Wut und Hass aus sich heraus zu schreien.
Die massige Gestalt näherte sich ihr. Ruhig, beinahe andächtig, verharrte der Praetor einige Momente vor der schönen Frau.
»Siehst du, alles wendet sich so, wie es geplant war. Eure armseligen Bemühungen waren so sinnlos. Bald schon wird eine zweite Stele des Werdens hier erscheinen, und sie wird die neue, die noch reine Wurzel bringen, die Armakath wieder aktiviert.«
Mit ungelenk wirkenden Schritten umrundete der Praetor Nicole einmal. Dann nickte er zufrieden.
»Eine neue Wächterin wird sie nicht mit sich führen. Wozu auch? Ich denke, ich kann aus dir eine Wächterin formen, die einer weißen Stadt würdig ist. Du wirst schon sehen…«
Nicoles Verstand heulte auf, schrie vor Entsetzen.
Doch niemand konnte das hören.
Eine dumpfe Einsamkeit schlich sich langsam wie ein böses Tier in ihr Bewusstsein.
Eine Einsamkeit, die ihr körperliche Schmerzen verursachte, die Angst und Trauer mit sich führte…
***
Doktor Artimus van Zant starrte seinen Kriegerbruder an, von dem er nicht einmal wusste, wie der Name seiner Heimatwelt lautete. Es war genau betrachtet nichts, was diese beiden Wesen wirklich verband. Einzig die Tatsache, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - zu Kriegern einer weißen Stadt geworden waren. Doch dieses Band war stark genug, alle anderen Unstimmigkeiten und-Verschiedenheiten ganz einfach nichtig werden zu lassen.
Erst recht, wenn man zusammen in einem gigantischen Schlamassel wie diesem steckte.
Artimus hatte es Bebop gleichgetan - so gut er es nur vermochte, hatte er versucht Schild und Speer entstehen zu lassen. Vergeblich.
Um ganz sicherzugehen, hatte es sogar einen gemeinsamen Test der beiden Männer gegeben, die ihre Kräfte gebündelt hatten. Auch dies - vergeblich.
Van Zant versuchte seine Gedanken zu ordnen, die nervös in seinem Kopf durcheinanderwirbelten, übereinander stolperten und sich gegenseitig aus der geraden Bahn warfen.
»Wie ist das möglich? Sind die Urbanen fähig, uns die verliehenen Kräfte einfach so abzunehmen? Haben sie uns praktisch deaktiviert, weil wir geholfen haben, die Wächterin aus der Stadt zu schaffen?«
Bebop massierte mit der linken Hand intensiv sein Riechorgan. Vielleicht ein Zeichen der Ratlosigkeit? Oder half ihm das, um seine eigenen Überlegungen in Schwung zu bringen?
»Die Urbanen… nein, die ganz sicher nicht. Du hast sie ja nun selbst erlebt. Ihre Fähigkeiten sind stark begrenzt; sie beginnen und enden mit dem, was sie in den weißen Städten zu tun haben. Sie wachen neben den schwarzen Flammen, mehr nicht - außer, es gibt einen unvorhergesehenen Störfall, denn sie beheben können… so wie uns vorhin.«
Bebop wandte sich dem Eingang zu. Die Urbanen standen dort nach wie vor unbeweglich, beinahe wie Maschinenwesen, denen man die Energiequelle genommen hatte.
»Ich glaube, nicht einmal die Herrscher im Dunkeln könnten uns Speer und Schild nehmen, denn diese Gaben sind tief in uns verwurzelt. Niemand weiß Genaueres darüber, doch auch Krieger, deren Städte verödeten oder zerstört wurden, behielten ihr Fähigkeiten danach weiter. Nein, hier geschieht etwas anderes, etwas, das katastrophale Folgen nach sich ziehen könnte.«
Van Zant sah Bebop fragend an. »Was meinst du damit? Spann mich hier nicht auf die Folter, denn mein Nervenkostüm hat schon ein paar Risse - die musst du nicht auch noch größer machen.«
Bebop nickte nur. Ihm erging es wohl nicht
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