0874 - Gedankentöter
noch ziemlich laut. Zamorra deutete auf ihren Kopfhörer. »Wie wär's, wenn du den Radaumacher mal abnimmst? Dann brauchst du nicht dagegen anzubrüllen.«
»Ich brülle nicht!«, protestierte sie. »Ich spreche ganz normal. Du bist zu empfindlich heute.«
Er vermied ein verdrossenes Zähneknirschen. »Schon Wilhelm Busch sagte: ›Musik wird störend oft empfunden, die, weil sie mit Geräusch verbunden‹. Was hörst du da überhaupt für einen mehr oder weniger organisierten Lärm?«
»Die Hermes House Band mit ›Country Road, take me home‹«, erklärte Nicole. »Die Coverversion von John Denvers Song.«
»Das Original finde ich besser«, seufzte Zamorra.
»Du bist ja auch ein Kulturbanause, allem Neuen abhold.«
Zamorra winkte ab. Ihm war nicht daran gelegen, ausgerechnet jetzt eine Grundsatzdiskussion über diese Dinge zu führen. Lieber genoss er den Anblick, den Nicole ihm bot.
»Sag mal«, fragte er vorsichtig, »wenn du so durchs Château hüpfst - denkst du auch daran, dass Rhett gerade in das Alter gekommen ist, in dem ein Junge nicht so genau weiß, ob man die Mädchen verhauen oder küssen soll?«
Nicole lachte auf. »Der wird momentan gerade von seinem Privatlehrer gedrillt und wird wohl kaum aus seinen Zimmern kommen. Außerdem hat er mich lange genug splitternackt sehen können, als wir am Loch Ness und in der Welt zwischen den Wassern waren. [1] Außerdem weiß ich von Fooly, dass er in seinem Zimmer einen ganzen Stapel von ›Playboy‹- und ›Oui‹-Magazinen hortet. Halte ihn also nicht für unbedarft in diesen Dingen.«
»Patricia weiß hoffentlich nichts davon?«, schmunzelte Zamorra, an Rhetts in diesen Dingen recht konservative Mutter denkend.
»Zumindest hat sie noch nicht mit mir darüber gesprochen, so von Frau zu Frau.«
Rhett Saris ap Llewellyn war der Erbfolger. Das bedeutete, dass er ziemlich genau 266 Jahre alt werden würde. Neun Monate vor seinem Tod musste er einen Sohn zeugen, bei dessen Geburt der Geist und die Erinnerungen seines sterbenden Vaters überwechselten. Rhett selbst war der Sohn von Bryont Saris ap Llewellyn, der 265 Jahre alt geworden war.
Aufgabe des Erbfolgers war, einmal in seinem Leben einen oder mehrere Auserwählte zur Quelle des Lebens zu führen, wo einer von ihnen die relative Unsterblichkeit erlangte - er alterte nicht mehr, Krankheiten heilten innerhalb von Minuten oder höchstens Stunden, und Wunden schlossen sich weit schneller als bei normalen Menschen. Nur Gewalt konnte ihn töten. Von dieser Unsterblichkeit hatte er allerdings nicht viel; sein ganzes Leben war dem Kampf gegen die Mächte der Finsternis gewidmet.
Zamorra war einer dieser auserwählten Unsterblichen. Und er war der Erste von allen, der die Hüterin der Quelle des Lebens ausgetrickst hatte. Er hatte dafür gesorgt, dass auch seine Gefährtin Nicole vom Wasser der Quelle trinken konnte und die gleiche Unsterblichkeit gewann wie Zamorra, obgleich sie keine Auserwählte war. Frauen waren von dieser Auswahl ausgeschlossen…
Zamorra streckte die Hand nach ihr aus. Als sie bis an die Bettkante kam, zog er sie zu sich aufs Laken. »Der Grund, aus dem du mich wachgebrüllt hast…«
»Ich habe nicht gebrüllt!«, wiederholte sie einmal mehr und noch energischer als zuvor.
»… kann warten. Es gibt, da du gerade erfreulicherweise nichts anhast, Wichtigeres zu tun.«
Und was er damit meinte, war sehr ersichtlich und machte beiden eine Menge Spaß…
***
Mehr als eine Stunde später fanden sie sich ein wenig erschöpft vom wilden Spiel, immer noch eng umschlungen, unter der Dusche wieder, um sich den Schweiß von der Haut zu spülen. Danach kleideten sie sich an, wobei Nicole sich auf einen winzigen Tanga und eine durchsichtige Bluse beschränkte.
»Es gab eine gespeicherte Transfunk- Botschaft«, kam sie endlich auf den Grund ihrer ziemlich aus dem Ruder gelaufenen Weckaktion zu sprechen. »Rob bittet um deine oder unsere Hilfe. Es scheint ziemlich dringend und wichtig zu sein.«
Dann hörte Zamorra in seinem Arbeitszimmer die Nachricht ab. Nicole saß derweil auf seinem Schoss und schmiegte sich an ihn, und er nutzte die Gelegenheit, unbemerkt die beiden seitlichen Knoten ihres Tangas zu lösen.
»Kaum hat man ein paar Tage Ruhe, schon droht die nächste Aktion«, seufzte er. »Wenn wir doch wenigstens einmal nur ein paar Wochen hintereinander Ruhe hätten… aber das ist wohl zu viel verlangt.«
Es war eben der Preis, den sie für ihre Unsterblichkeit bezahlen
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