0878 - Impulse aus dem Nichts
Gedanken dahinter - und der Quelle des Saftes!
Niki wurde hungrig, wenn er nur daran dachte. Er beeilte sich, um mit der Zeichnung fertig zu werden. Er benötigte nur wenige Striche, um die wesentlichen Merkmale seines Freundes auf die Folie zu bringen. Er schob die fertige Zeichnung der Nurse hinüber, die ihr Buch, in das sie sich gerade vertiefen wollte, seufzend wieder zurücklegte.
Sie blickte die Zeichnung an, dann Niki. Lange, sehr lange. „Das ist ein Thema, über das wir auch noch sprechen müssen", sagte sie in einem Tonfall, der Niki sofort veranlaßte, sich ganz klein zu machen. Er hätte am liebsten wieder Fragmente aus dem Buch rezitiert, um sich abzulenken. „Du hast die Ähnlichkeit mit dem Mann, den du verfolgt hast, gut getroffen", fuhr sie fort. „Aber gewöhne es dir ab, Menschen wie DNS-Ketten zu zeichnen, auf die du in willkürlicher Reihenfolge ihre Glieder, Organe und Eigenschaften aufknüpfst. Das nur nebenbei. Niki, du weißt ganz genau, daß du andere Patienten nicht belästigen sollst. Nicht alle sind so manisch veranlagt wie du und ständig zu Scherzen aufgelegt. Die meisten wünschen ihre Ruhe ..." Niki kapselte sich ab, um die Moralpredigt nicht mithören zu müssen. Er wanderte mit seinen Gedanken hinaus in die Wälder dieser Halbinsel, die ihn manchmal an seine Heimat erinnerten und manchmal an ein Gefängnis. Er sah das Gefängnis wie durch einen Raster, das war immer so, wenn er etwas begreifen oder analysieren wollte: Dann sah er die Dinge im Ganzen, aber aufgerastert.
Wenn es ihm zu bunt wurde, würde es ein leichtes für ihn sein, aus dem Gefängnis auszubrechen. Er hoffte aber, daß er hier seine zweite Heimat fand.
Obwohl er mit den Gedanken ganz woanders war, fiel es ihm auf, wenn die Nurse eine Stellungnahme von ihm erwartete, und dann rechtfertigte er sich einfach damit, daß er geradewegs aussprach, was er gerade dachte. Er konnte sich das erlauben, weil die Nurse ihn für „nicht ganz richtig im Kopf" hielt, und er nutzte das weidlich aus. Er hätte zu gerne gewußt, was in ihrem Kopf vorging, wenn er etwas antwortete, was sie gar nicht hören wollte. Manchmal sagte er auch, was sie hören wollte, um ihr einen Gefallen zu tun. „Es ist hoffnungslos mit dir, Niki", seufzte die Nurse. „Aber eines schreibe dir hinter die Ohren: Wenn du dich dem Patienten noch einmal ungebührlic hnäherst, dann kannst du was erleben. Wenn er etwas von dir will, dann kommt er von selbst. Halte dich an die Spielregeln, sonst stecke ich dich wieder ins Loch."
Niki begann zu zittern. Er spürte, wie es ihm die Tränen aus den Augen schüttete. Das war ein böses Spiel. Sie hatten es schon einmal mit ihm gemacht, ihn in die dunkle, finstere Kammer zu stecken - das „Loch". Nur weil er sich ein Spielzeug gebastelt hatte. Einen Kasten, der bewegliche Bilder zeigte. Das war doch nichts Böses. Aber sie hatten ihm den Bilderkasten weggenommen und ihm nicht geglaubt, daß er ihm gehöre. Darüber war er furchtbar wütend geworden, und er hatte um sein Spielzeug gekämpft. Das regte ihn so sehr auf, daß er die Beherrschung verlor. Und da hatten sie ihn in das Loch gesteckt, damit er sich beruhigte. Er wollte nicht wieder auf diese Weise gequält werden - und deshalb rannte er fort.
Es war bereits Nacht, und die Nurse rief verzweifelt seinen Namen und versuchte, ihm zu folgen. Aber er schüttelte sie ab.
Er wußte, wo sein Freund zu finden war und begab sich zu dem Kloster Megiste Lawra. Es war ein schönes Bauwerk, wirkte uralt, aber Niki wußte, daß es nicht das „Original" war.
Das echte Kloster Megiste Lawra war längst schon verfallen, man hatte es nur nach alten Vorlagen nachgebaut.
Niki wurde eingelassen, und man wies ihm ein Zimmer zu, nachdem er seine Therapiekarte abgegeben hatte. Es war wichtig, seine Krankengeschichte überallhin mitzunehmen, damit die Ärzte einer jeden Station sofort wußten, was für ein Fall man war.
Eine Betreuerin sagte ihm, in diesen bestimmten Trakt dürfe er nicht gehen, und da wußte er, wo er seinen Freund finden würde. Boyt, so hieß er, war ein geheimnisvoller Mann.
Aber er würde sich freuen, wenn Niki auftauchte.
Niki platzte wie ein Wirbelwind mitten in die Sitzung, die sein Freund mit drei Betreuern hatte. Er entschuldigte sich höflich, aber die Gesichter wurden deshalb nicht freundlicher.
Nur Boyt schenkte ihm einen wohltuend tiefen Blick aus seinen Käferaugen.
Die Käfer krabbelten zu Niki herüber, schlüpften in seinen Geist
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