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0878 - Impulse aus dem Nichts

Titel: 0878 - Impulse aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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bewußt, daß er das Vibratormesser bei sich trug, von dem sie nichts wissen durfte. Er griff verstohlen in die Tasche, um es herauszunehmen und zu verstecken, aber sie merkte es. „Was hast du da? Gib her!"
    Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen schössen, überreichte ihr jedoch gehorsam das Messer. Sie betrachtete es stirnrunzelnd. „Woher hast du das? Sieht ziemlich primitiv aus." Sie ließ die Klinge vibrieren und setzte sie an einen Plastikwürfel an; die Klinge ging durch ihn wie Butter. „Aber es funktioniert.
    Hast du es von einem Patienten, Niki? „ Auf die Idee, daß er das Messer selbst gebastelt haben könnte, kam sie nicht, und er sagte es ihr nicht. „An die Arbeit."
    Die Nurse zerschnitt ein großes 3-D-Foto in viele Teile - Niki zählte bei sich73 - und legte sie vor ihn hin. Er hätte am liebsten weinen mögen, weil sie das schöne Bild verstümmelt hatte. „Nun versuche, die einzelnen Teile wieder richtig zusammenzusetzen. Du hast eine Viertelstunde Zeit."
    Sie überließ ihn sich selbst. Niki erfaßte die 73 Teile auf einen Blick als Ganzes, und dann begann er, so schnell seine Hände konnten, das Puzzle zusammenzusetzen. Dabei zählte er bis neunundzwanzig.
    Er betrachtete das Bild und bekam Heimweh. Es zeigte eine Landschaft von Saint Pidgin, es war eine Luftaufnahme der urweltlichen Korkwälder, in denen er gelebt hatte, soweit er zurückdenken konnte.
    Er starrte lange auf das Bild, versuchte mit den Fingern hinter die plastisch wirkenden Bäume zu greifen und war wütend, weil das mißlang. Als er sich satt gesehen hatte, überkam ihn plötzlich Wut, und er fegte das Puzzle vom Tisch.
    Als die Nurse nach einer Viertelstunde zurückkam, sah sie ihn lustlos mit einigen Teilen des Fotos herumspielen, der Rest lag über den Boden verstreut. Sie seufzte und sammelte sie ein. Niki glitt von seinem Sitz und war ihr beim Einsammeln behilflich. „Was ist heute nur mit dir los", sagte sie traurig. „Ich dachte, du hättest schon große Fortschritte gemacht ... Beim letzten Mal hattest du keine Mühe, das Puzzle zusammenzusetzen, und es bestand sogar aus mehr Einzelteilen."
    Er gab keine Antwort. Als er zu seinem Platz am Tisch zurückkehrte, sah er dort ein Buch mit dem Titel „Über Schizophrenie und Sprache. Gedankenchaos der Schizophrenen." Er kannte den Titel, es war die Lieblingslektüre der Nurse. Er blätterte das Buch verstohlen durch und faßte eine willkürlich gewählte Seite besonders ins Auge. Die Nurse überraschte ihn dabei. „Schade, daß du nicht schreiben und lesen kannst, Niki", meinte sie bedauernd. Als sie sah, wie er empört den Kopf schüttelte, fügte sie hinzu. „Na schön, du hast gelegentlich mal Buchstaben nachgemalt, aber das ist vom Schreiben so weit entfernt, wie ..."
    „Pidgin von hier", half er ihr aus. „Bravo, Niki, das zeigt, daß du mitdenkst." Die Nurse strahlte übers ganze Gesicht.
    Er wollte ihr noch mehr Freude bereiten und ihr deshalb klarmachen, daß er sehr wohl lesen konnte. Er brachte sich deshalb die Seite des Buches in Erinnerung, die er memoriert hatte.
    Aber da der Text zu umfangreich war, wählte er einen drei Finger breiten Ausschnitt quer über die Seite aus und rezitierte: „Buch >Schizophrenie und Sprachwelt mit der Krankheit< äußern die Befürchtung, entsteht ein innerer Kontakt - der Arzt wäre - der schizophrenen Sprachherstellung vermindern - oder wächst sogar im - Familienverband - in der Anstalt. Eine Hauptkriterium sozialer fortschreitendes Lebensalter schwierig. Denn - einmal seelisch aufgelockert - daß dem Sprachzerfall - bei psychotischer Erregung eine völlige Restitution ..."
    „Niki, laß den Unsinn", unterbrach die Nurse ihn. „Warum wollen wir uns nicht vernünftig unterhalten. Oder willst du zeichnen?"
    Sie legte einen Notizblock und einen Schreibstift vor ihn hin. Er rührte beides nicht an. Er dachte an seinen Freund. Es war ein wahrer Freund. Er tat ihm Gutes. Niki wollte auch Gutes für ihn tun. Er rührte den Griffel nicht an und lächelte verschmitzt in sich hinein, als ihm die Nurse das Schreibwerkzeug in die Hand drückte. Er wußte sie richtig einzuschätzen. „Zeichne. Irgend etwas, was dir gerade einfällt."
    Der Freund... Er sah ihn deutlich vor sich: Ein Weißling, dunkle Käfer als Augen, freundlich in der Tiefe, mystisch an der Oberfläche, lang und dünn, ohne den Babyspeck, wie Niki ihn am Körper hatte. Das liebliche Gesicht, kindlich wie Nikis, hohe Stirn mit vielen, vielen klugen

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