0878 - Impulse aus dem Nichts
Ihnen schon gesagt, daß er oben die Haare zu einem Schöpf gekämmt hat und sie dagegen seitlich zurückkämmt? Seine Haarfarbe ist türkis! Sehen Sie, so genau kann ich ihn beschreiben, Professor. Eine solche Person kann man nicht erfinden."
Dun fragte sich, ob der Arzt wußte, daß er ihm eine Personenbeschreibung von Boyt Margor gegeben hatte; anmerken ließ er sich davon jedoch nichts.
Vapido wurde gefragt, ob er sich in einer Gemeinschaft zurechtfinden könne, oder ob er ein Einzelgänger sei. „Ich will niemand um mich haben", erregte sich Vapido. „Es könnte sich der Fremde in anderer Maske an mich heranmachen."
Damit erreichte Vapido, daß er ein eigenes Haus und einen eigenen Betreuer zugeteilt bekam. Das Haus gehörte zu einer auf alt getrimmten Siedlung, die an der westlichen Steilküste und in der Nähe des Klosters Dionysiou lag. Der Betreuer hieß Efrem Tevaude und brachte Vapido im Luftkissenboot ans Ziel. „Merken Sie sich, daß ich nicht für Sie allein da bin, mein Junge", klärte er Vapido auf. „Ich bin für die ganze Siedlung zuständig. Nur eine Stunde am Tag gehöre ich ganz Ihnen. Wenn etwas Besonderes vorliegt, habe ich auch mehr Zeit für Sie. Aber schikanieren lasse ich mich nicht."
„Es genügt mir, daß jemand in der Nähe ist, falls mein Peiniger mich wieder quält", sagte Vapido bescheiden.
Das Haus, das ihm zugewiesen wurde, war recht ordentlich. Es bot, trotz der abgeschiedenen Lage und des nostalgischen Äußeren, alle Annehmlichkeiten der Zivilisation. Am meisten interessierte sich Vapido für das TV-Gerät.
Damit konnten nicht nur die terranischen Stationen empfangen werden, sondern es gab auch einen klinikeigenen Sender, über den Fernkurse liefen, Lebenshilfen gegeben und zur Gruppendynamik aufgerufen wurde.
Das Gerät ließ sich auch als Bildsprechanlage benutzen, und Vapido stellte zufrieden fest, daß es sich um ein kabelloses Nachrichtennetz handelte, so daß es Eawy möglich war, sich als „Relais" einzuschalten. „Die Mahlzeiten werden ins Haus geliefert, können aber auch in den großen Klostern eingenommen werden", sagte sein Betreuer abschließend. „Ich bin im Büro am Ende der Straße oder über Notruf zu erreichen. Die Behandlungszeiten und Termine für Therapien können Sie aus der Hausordnung ersehen. Machen Sie sich erst einmal damit vertraut, bevor Sie irgend etwas unternehmen, mein Junge."
Er schaltete mittels Fernbedienung den Fernseher ein und ging. Auf dem Bildschirm erschien eine hübsche Blondine in Schwesterntracht, die mit samtweicher Stimme über Gebote und Verbote und über die Rechte der Patienten auf Athos sprach.
Die Bedingungen kamen Vapido sehr entgegen, denn sie ließen ihm großen Spielraum für seine Unternehmungen.
Die Patienten konnten sich auf der ganzen Landzunge frei bewegen, wurden jedoch dazu angehalten, die Ruhe ihrer Mitpatienten nicht zu stören. Verstöße zogen Einschränkungen der Begünstigungen mit sich und konnten sogar im Wiederholungsfall zu vorübergehender Isolierung führen. Die Klöster standen allen Patienten offen; sie konnten dort Versammlungen abhalten, an Gesellschaftsspielen teilnehmen, die uralten Bibliotheken einsehen, Mahlzeiten einnehmen oder sich eine Wegzehrung für längere Wanderungen holen, dort nächtigen und sich Spezialkuren auf freiwilliger Basis unterziehen.
Athos war der Prototyp einer modernen Heilanstalt für geistig Verwirrte. Für Vapido blieb nur der Nachgeschmack zurück, daß hinter allem die graue Eminenz Boyt Margor stand.
Vapido konnte sich vorstellen, daß viele der geheilten Patienten nicht einfach entlassen wurden, sondern bei Eignung in den sich immer mehr ausweitenden Kreis von Paratendern aufgenommen wurden.
Es war Zeit, daß Boyt Margor endlich das Handwerk gelegt wurde.
Aber Vapido wollte nichts überstürzen. Zuerst einmal sollte die Lage sondiert werden. In zwei Tagen wollten ihm Eawy und Bran ganz offiziell einen Besuch abstatten, um die Taktik zu besprechen.
Vierundzwanzig Stunden später hatte sich Vapido recht gut eingelebt und mit den anderen Insassen der Wohnsiedlung Bekanntschaft geschlossen. Außer ihm wohnten hier noch fünf Frauen und zwei Männer, alles harmlose Fälle, die auf Athos interniert waren, um sich hier an das Leben auf der Erde zu gewöhnen. Efrem Tevaude kümmerte sich kaum um sie.
Vapido war das nur recht.
Da die anderen offenbar zu schüchtern waren, um sich ihm zu nähern, hatte Vapido die Initiative ergriffen und sie kontaktiert.
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