0882 - Reise in die Hölle
kommt?«
Mit »Vielfraß« war Artimus van Zant gemeint, der ziemlich häufig in der Kantine zu finden war, wo man bei seinem Eintreffen die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Auch bei der Arbeit fügte er seinem massigen Korpus oft genug massenhaft Kalorien hinzu, um sein »Kampfgewicht« zu halten - meist in Form von Fleisch.
»Wir warten nicht. Ich möchte ihn bei seiner Rückkehr mit einer Erfolgsnachricht überraschen. Also, an die Arbeit, Freunde.«
***
Frankreich, südliches Loire-Tal, Château Montagne:
Irgendwann musste Nicole Duval das Schlafzimmer verlassen haben. Als Professor Zamorra die Augen zu öffnen versuchte und überlegte, ob es nicht empfehlenswert wäre, Streichhölzer unter die Lider zu klemmen, um sie offen zu halten, stellte er fest, daß seine Lebensgefährtin, Kampfpartnerin und Sekretärin Nicole schon vor ihm erwacht war und die »Spielwiese« und das Zimmer verlassen hatte. Wann, konnte er beim besten Willen nicht sagen. Er war so müde gewesen, dass er es nicht mitbekommen hatte. Nun ja, die Nacht war lang und hitzig gewesen.
Durch die halb geschlossenen Rolläden des Fensters drang Licht. Es war schon ziemlich hell draußen. Zamorra drehte sich um und blinzelte. Die Leuchtziffern des Chronos verrieten ihm, dass es bereits zwölf Uhr mittags war.
»Zeit für den Showdown«, murmelte er und wollte aufstehen. In diesem Moment trat Nicole ein. »Zwölf Uhr mittags«, sagte sie munter. »Aufstehen, Sheriff! Der Zug mit den Banditen kommt gleich.«
»Wir ändern das Drehbuch«, erwiderte er matt. »Der Zug hat ein paar Tage Verspätung, weil der Lokführer wieder mal streikt.«
»Verstehe kein Wort. Was sagtest du?«, fragte sie.
Zamorra beaugapfelte sie genauer - und durchaus genießerisch. Kein Wunder, dass sie kein Wort verstand - sie trug einen Funkkopfhörer, der sie mit Musik berieselte. Dazu ein sehr knappes und sehr enges T-Shirt - und eine Tasse mit dampfendem Kaffee, die sie jetzt auf Zamorras Nachttisch abstellte.
Er zupfte an ihrem T-Shirt und zog sie daran zu sich aufs Bett. Dann nahm er ihr den Kopfhörer ab, lauschte kurz selbst. Kylie Minogue klang ihm entgegen.
»Ihre neueste CD«, verkündete Nicole. »Klingt gut, nicht wahr?«
»Wie wär's mal mit richtiger Musik?«, schmunzelte Zamorra. »Mozart, Beethoven, Bach, Richard Wagner…«
»Das hier«, sagte Nicole grimmig und wies auf den Kopfhörer, »ist richtige Musik, du Kulturbanause! Was du da aufzählst, ist was für alte Leute! Allenfalls Wagner lasse ich mir noch gefallen…«
»Vergiss nicht, dass wir beide auch nicht mehr die Jüngsten sind. Ich nähere mich der 70, und du…«
Sie winkte ab. Es stimmte ja, was er sagte. Aber sie sahen um mindestens die Hälfte jünger aus. Schon früher waren sie scheinbar nur sehr langsam gealtert, und vor knapp über einem Vierteljahrhundert hatten sie vom Wasser der Quelle des Lebens getrunken und waren seither relativ unsterblich. Nur Gewaltanwendung konnte sie töten.
Dass sie nicht mehr alterten, würde aber irgendwann zu einem Problem werden. Spätestens bei Passkontrollen musste Zamorra jetzt schon mit allen möglichen Tricks bis hin zur Hypnose greifen. Aber auch, wenn er seinen früheren Universitätskollegen oder Studenten begegnete, war immer wieder das große Staunen angesagt.
Die Menschheit war noch lange nicht so weit, dass sie Unsterblichkeit akzptierte…
Ebenso wenig akzeptierte sie die Hölle, die Dämonen, Hexerei und Magie.
Das war seit dem späten Mittelalter nicht mehr so. Damals wurden Menschen als Zauberer ermordet, oder als Hexen, die mit dem Teufel gebuhlt hatten. Das alles ging auf den Einfluss der ach so christlichen Kirche zurückzuführen. Die hatte aus den alten Göttern Teufel und Dämonen gemacht und das Bild einer Hölle geschaffen, deren Teufel auf Seelenfang gingen, um Menschen zum Bösen zu verführen und sie dann für alle Ewigkeit im großen Kochtopf schmoren zu lassen…
In Wirklichkeit ging es den Kirchenvertretern nur um Macht.
Wie auch immer - Zamorra, Nicole und einige andere wussten es besser. Sie wussten, dass es Magie gab, Dämonen, die Hölle, nur sah diese Hölle nicht so aus, wie sie von der Kirche dargestellt wurde.
Alles war ganz anders…
Zamorra zuckte mit den Schultern, griff nach der Kaffeetasse und nippte an dem noch heißen Gebräu. Er lächelte. Es schmeckte wie erhofft - schwarz wie eine Dämonenseele und nach texanischer Art: So stark, dass das Hufeisen oben schwimmt.
Mit der freien Hand
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