0883 - Mörderisch
hatte der Knast keinen guten Ruf.
Mein Problem war es nicht. Ich sollte nur diesen Natas begleiten, wie mir mein Chef aufgetragen hatte. Er sollte in eine andere Anstalt überführt und dort unter Beobachtung gestellt werden. Einige Wissenschaftler interessierten sich für ihn, seine Psyche und sein Verhalten in diesen extremen Situationen, doch es sollte auch anderen Dingen nachgegangen werden.
Sir James, mein Chef, hatte zwar nicht mit der Sprache so recht herausgerückt, er allerdings ging davon aus, daß dieser Mann tatsächlich unter dem Einfluß einer dämonischen Macht stand oder einen Draht zur Hölle hatte. Deshalb hatte er mich dem Fahrer als Begleitschutz zugeordnet, und ich ging davon aus, daß diese Reise noch voller Überraschungen stecken konnte.
Suko fuhr zwar offiziell nicht mit, aber er saß auf dem Sprung. Ich würde ihn durch mein Handy erreichen können, das man mir mitgegeben hatte. Man konnte zu den tragbaren Telefonen stehen, wie man wollte - ich war nicht unbedingt ein Freund davon -, aber in gewissen Situationen waren sie unentbehrlich, und sie gaben einem auch Sicherheit. Den Apparat hatte ich an meinem Gürtel befestigt und trug ihn unter der Jacke.
Natas lebte nicht mit den normalen Gefangenen zusammen. Er saß in einer Zelle, die zu einem besonderen Trakt gehörte. Es war ein dunkler, ein dumpfer Backsteinbau mit noch kleineren Fenstern, aber dickeren Gitterstäben davor.
Das Wetter war relativ gut. Es, hatte zwar am Morgen geregnet, doch jetzt, am Nachmittag, hatte es aufgeklart. Die Sonne schien in den Hof. Hier war alles kahl und übersichtlich für die elektronischen Kameras. Dennoch lag Laub auf dem Boden. Der Wind hatte es vom nahen Wald hergeweht.
Während wir gingen, ließ ich meine Blicke über die Fassade schweifen. Hin und wieder erschien ein Gesicht hinter einem der vergitterten Fenster. Es sah aus, als wäre ein Gespenst dabei, nach draußen zu schauen, so bleich und anders.
Wer hier hockte, war nicht zu beneiden. Für den wurde die Zeit zehnmal so lang.
Ein Wachtposten ließ uns herein. Er blieb in seiner strammen Haltung, als wir an ihm vorbeischritten.
Ich kam mir vor wie in einem Knastfilm. Gittertüren wurden geöffnet, wieder zugeschlagen, erneut geöffnet, zugeknallt, und die entsprechenden Geräusche brandeten und klingelten in meinen Ohren.
Sie machten mich beinahe schon wütend.
Die Luft in den Gängen war kühl. Sie stank zugleich nach Menschen und alten Lumpen.
Von irgendwoher hörten wir ein schrilles Lachen. Es war weit entfernt, als hätte jemand in der Hölle gelacht. Die Lampen warfen ein kaltes Licht in die Gänge, und wir mußten eine Treppe hinunter, die in einen Keller führte, wo ebenfalls Gefangene untergebracht waren.
Ich wurde an einen Fall erinnert, den ich in den Staaten erlebt hatte. Damals hatten wir einen Killer namens Shango gejagt. Auch er war in einem Spezialknast untergebracht worden. Wenn ich an ihn dachte, rann es mir noch immer kalt den Rücken hinunter.
Kalt war es auch im Zellengang, wo wir Natas finden würden, wie mir der Direktor erklärte. Ein hünenhafter Wächter begleitete uns. Ein Mann, der nichts sagte und nur schaute. Er war ein Farbiger, und die Augen in seinem Gesicht leuchteten.
Vor einer dicken Holztür blieben wir stehen. Auf ein Zeichen des Direktors hin hob der Wächter die Guckklappe an, und wir konnten hineinschauen. Man ließ mir den Vortritt.
Es war nicht viel zu sehen. Unter der Decke brannte eine trübe Lampe. Ein enges Stahlgitter umgab sie. Wer das abreißen wollte, mußte stark sein wie Herkules.
Es gab einen Stuhl, eine Pritsche und einen Eimer. Die Zellen waren so eingerichtet, wie man sie oft in Comics oder in Witzblättern sah. Die Einrichtung jedoch interessierte mich nicht. Viel wichtiger war der Gefangene. Von ihm allerdings sah ich nur den Rücken. Der Mann hockte auf dem Boden wie ein Läufer beim Start. Er trug graue Gefängniskleidung. Ich sah den breiten, leicht gekrümmten Rücken und seinen beinahe kahlen Kopf.
Natas schaute in die verkehrte Richtung. Er schien in eine Trance versunken zu sein. Er sprach und sang zugleich. Es war bestimmt kein fröhliches Lied. Was da aus seinem Mund hervordrang, glich einer Beschwörung. Während ich zuhörte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Plötzlich konnte ich mir vorstellen, daß die Fahrt in Richtung London nicht zu einem Vergnügen wurde, nicht bei dieser Gestalt, bei diesem Killer, dessen Körper leicht federte. Anscheinend schien
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