0883 - Mörderisch
ich.«
»Dann wissen Sie auch, was vor uns liegt. Ich meine die Nacht. Dann ist Halloween…«
***
Er hatte es so gesagt, daß ich wohl einen Schauer bekommen sollte, was aber nicht geschah, obwohl ich mit Halloween auch schon meine Erfahrungen gesammelt hatte. Durch die Nase saugte ich betont lange die Luft ein, räusperte mich und lächelte. »Okay, Halloween liegt vor uns, aber ist das etwas Besonderes? Oder sollte es uns betreffen?«
Er hob seine breiten Schultern. »Nun ja, Halloween ist etwas Besonderes. Es ist die Nacht der Geister und Dämonen. Ich könnte mir schon vorstellen, daß sie gefährlich werden kann.«
»Für wen?«
»Keine Ahnung.«
»Soviel ich weiß«, sagte ich, »ist Halloween auch die Nacht der Kinder und Jugendlichen. Dann ziehen sie mit ihren Masken umher, mit Laternen, mit selbstgebauten Monstren, klingeln an den Türen, sammeln, wollen Menschen erschrecken und ihnen somit klarmachen, daß die dunkle Jahreszeit beginnt. Ein alter Brauch, mehr nicht.«
Sam Wilde runzelte die Stirn. »Andere denken nicht so darüber, John.«
»Wer denn? Sie?«
»Ja, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Warum?«
Für einen Moment schaute er auf das blasse Licht der Scheinwerfer, das als heller Streifen auf die Straße fiel. »Ich habe den Eindruck, daß in dieser Nacht etwas geschieht. Man sieht es nicht, man kann es nur spüren. Mein Großvater hat mir mal erzählt, daß sich die Tore öffnen, um das Unsichtbare zu entlassen, ohne daß es sichtbar wird. Es umschlingt dann die Lebenden, es lauert, es ist in der Lage, die Menschen zu beeinflussen. Es ist nicht alles Spaß, was in diesen Stunden abläuft, wenn Sie verstehen. Da gibt es schon einen ernsten Hintergrund, das können Sie mir glauben…«
Da er schwieg und es mir so vorkam, als hätte er die weiteren Worte verschluckt, weil er Angst hatte, schon zuviel gesagt zu haben, bohrte ich weiter. »Reden Sie doch. Was mißfällt Ihnen denn an Halloween?«
»Daran selbst nichts.«
»Aber Ihr Großvater…«
Er nickte. »Genau das ist es, John, mein Großvater. Ich denke aber noch einen Schritt weiter.« Er zeigte mit dem Daumen über seine Schulter hinweg.
»Wieso?«
»Wir haben Slim Guthry im Wagen.«
»Das weiß ich.«
»Sie kennen ihn nicht, John. Er nennt sich selbst Natas, das bedeutet ja Satan. Ihm muß diese Nacht doch wie gerufen vorkommen. Ich habe ihn in den Wagen gebracht und angekettet. Dabei habe ich sein Grinsen gesehen. So hat mich noch kein Gefangener angegrinst. Mir kommt es vor, als wüßte er genau Bescheid, daß ihm nichts passieren könnte. Daß es für ihn eine Reise in eine neue Zukunft sein wird.«
»Das ist es doch auch. Er wird in einer geschlossenen Anstalt untergebracht und wird dort unter Beobachtung stehen. Er ist gewissermaßen ein Forschungsobjekt.«
Wilde runzelte die Stirn. »Forschungsobjekt ist gut«, sagte er leise. »Dieser Mann erkennt nur einen an, den Teufel. Sie hatten ja nichts mit ihm zu tun, im Gegensatz zu mir. Was der in seiner Zelle getan und wie er sich benommen hat, da konnte man schon Angst bekommen. Ich habe ihn manchmal in der Nacht flüstern gehört. Es waren Beschwörungen, und ich hatte mehr als einmal das Gefühl, als wäre noch jemand in seiner Zelle gewesen, der ihm geantwortet hätte.«
»Traf das denn zu?«
»Auf keinen Fall.« Sam schüttelte den Kopf. »Wenn ich hineinschaute, war er immer allein.«
»Sehen Sie.«
»Aber er hat gegrinst. Er grinste mich an, und seine Augen waren nicht mehr menschlich.« Wilde senkte seine Stimme. »Sie hatten einen Glanz bekommen, wie ich ihn noch nie sah. Von da an war ich überzeugt, daß er mit dem Teufel im Bunde steckte. Es gibt doch Menschen, die einen Draht zur Hölle haben.«
»Wissen Sie das genau?«
»So etwas erzählt man sich, John. Ich kenne Menschen, die fest daran glauben, und als ich Guthry erlebte, da war ich der festen Überzeugung, daß dies auch stimmt.«
»Wenn schon, Sam. Er wird bald in die Klinik eingeliefert, dann sind Sie diese Sorge los.«
Wilde wischte über seine Stirn, weil er plötzlich anfing zu schwitzen. »Sie machen es sich zu leicht, John. Vor uns liegt noch eine ziemliche Strecke.«
»Die wir packen werden.«
Sam schlug auf das Lenkrad. Dann grinste er verzerrt. »Das hoffe ich auch.«
Er hatte mir soviel über seinen Gefangenen erzählt, daß ich ihn mir endlich anschauen wollte. Um auf die Ladefläche blicken zu können, mußte ich mich umdrehen und an der Rückwand der Fahrerkabine eine
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