089 - Das Heer des Untoten
einem eisigen Hauch flackernden Kerzenflamme auf ihr Gesicht fiel. Nur mit Mühe unterdrückte er einen Ausruf.
Es war Alex.
Alex, der bei Woodys erstem Abenteuer in diesem Haus dabeigewesen war. Alex, der ihn dazu herausgefordert hatte. Alex, sein Internatskamerad. Er war noch so jung wie damals, sechzehn oder siebzehn. Aber seine Züge trugen die Zeichen des Todes - Pein, Furcht und den unbeschreiblichen Ausdruck des Verlöschens, für immer festgefroren. Alex war gestorben vor langen Jahren, aber die unheiligen Kräfte schwarzer Magie ließen seinen Körper nicht ruhen. Es war nicht Leben, das ihn belebte.
Alex war ein Untoter.
Also waren seine Befürchtungen begründet. Sie mochten bereits überall im Haus sein. Er sah sich nach einer geeigneten Waffe um.
Der Untote hatte nur Augen für Jeffers, erloschene, gebrochene Augen, in denen doch ein unbeschreibliches Feuer schwelte - das Feuer längst ohnmächtiger Gefühle.
Haß vor allem!
Dorian glaubte zu begreifen, was geschehen war. Alex verdankte Jeffers diese grauenvolle Existenz, und wenn auch sein Geist längst erloschen war - der Hunger nach Rache war eins mit den Kräften geworden, die den Leichnam belebten.
Verzweifelt warf Jeffers seine Arme hoch, als wolle er seine Lebensuhr schützen, die seine weißen Finger umklammert hielten.
Der Untote kümmerte sich nicht um die Uhr. Seine nassen, schlammigen Hände umklammerten Jeffers' Hals. Ein deutliches Knacken ertönte, als die Nackenwirbel brachen.
Dorian wich zurück. Er wußte, daß menschliche Kräfte sich nicht mit denen der Untoten messen konnten, und daß es nur ganz bestimmte Waffen gab, mit denen ein Untoter besiegt werden konnte. Eine war Feuer. Aber diese Kerze vermochte selbst ein Kind auszublasen. Das Abschlagen des Schädels war eine andere Möglichkeit. Aber es gab hier nichts, was sich dazu verwenden ließ.
Oder doch?
Während der Untote den leblosen Jefffers losließ und sich Mother Goose und ihm zuwandte, erreichte der Dämonenkiller eine große Pendelluhr und schlug das Glas ein. Mit einem Ruck und einer knirschenden Drehung hatte er das gewaltige Pendel aus der Verankerung gerissen. Es besaß eine scharfkantige Scheibe am unteren Ende.
Damit erwartete erden Angriff des Dings, das einmal Alex gewesen war.
Doch der Untote wandte sich ab, als sei mit seiner Rache auch seine Kraft erloschen. Er begann, die Treppe hinabzusteigen. Der Dämonenkiller sprang hinter ihm her. Er hatte nicht viel Platz zum Ausholen, aber das Gewicht der Scheibe gab den nötigen Schwung.
Mit einem dumpfen Laut flog der Schädel vom Rumpf. Er sprang wie ein Ball die Stufen hinab und den Korridor entlang. Unten ertönte ein spitzer Aufschrei und vermischte sich mit dem unirdischen Kreischen, das aus dem zusammensinkenden Körper des Untoten drang.
Dann herrschte einen Augenblick Stille. Nur Mother Gooses rasselndes Atmen war zu hören. Es klang wie ein Kichern.
Heftig ließ Dorian das Pendel sinken.
„Ein Meisterstreich, Dorian Hunter", sagte Mother Goose.
„Bin ich der Taffy?" fragte er.
„Weißt du es nicht?" erwiderte sie.
„Sie sind Taffy", sagte er plötzlich, einer Eingebung folgend.
Sie gab keine Antwort.
„Sie sind ein Welscher. Sie haben sich Dinge angeeignet, von denen die Menschen die Finger lassen sollten. Sie haben die Hölle für Ihre Zwecke benutzt. Und Sie sind eine Diebin. Sie stehlen den Menschen die Seelen und den freien Willen…"
Er hob das Pendel und zitierte mit harter Stimme: „Ich suchte Taffy heim. Und mit einem großen Messer… "
Ein Schrei ließ ihn herumfahren. Auf dem Treppenabsatz gewahrte er den Doktor im verzweifelten Kampf mit einer Frau in einem dunklen Kleid.
Mrs. de Mille!
Er stolperte die Treppen hinab. Das Pendel war nutzlos, da die beiden ineinander verkrallt waren. Williams ging zu Boden, und es war ein gespenstisches Bild, wie die zierliche Frau auf ihn einschlug, bis er blutend liegen blieb.
Dorian warf sich auf sie, und die Wucht des Aufpralls ließ die Frau zur Seite taumeln. Sie starrte ihn an. Ihr Gesicht war noch immer in Pein verzerrt, und die Augen waren weit aufgerissen. Aber so lebendig dieses Antlitz wirkte, Dorian wußte, daß es tot war, daß er nicht mit Mrs. de Mille rang, sondern mit einer Kreatur, die mit dem Leben nichts gemeinsam hatte.
Er schwang das Pendel, als sie auf ihm zukam. Als der Kopf fiel, drang dunkles, kaum geronnenes Blut aus dem Halsstumpf. Übelkeit würgte ihn. Er beugte sich über Williams. Der Arzt lebte
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