089 - Das Heer des Untoten
sorgfältiger Pflege bedarf. Es ist lebensfeindlich. In einer Klinik hätte sie sicher überlebt…"
„Hieß die Mutter Irene?" fragte Dorian aufgeregt. Ihm war ein unglaublicher Gedanke gekommen. Der Arzt nickte. „Sie sah aus wie dieses Kind jetzt. Sie war kaum älter. Sie war sehr stolz auf dieses Kind. Es schien ihr etwas zu bedeuten, etwas, das ich nie begriff."
„Wurde es im Februar geboren?"
„Allerdings."
„Dann wurde es im Juni gezeugt…"
„Ungefähr. Aber ich verstehe nicht…"
„Aber ich", rief Jeffers. „Dorian ist der Vater der Kleinen!"
Alle starrten Dorian Hunter überrascht an. Aber er nahm es gar nicht wahr. Er versuchte sich darüber klarzuwerden, was es bedeutete. Wenn er wirklich der Vater des Mädchens war, dann bedeutete es, daß er die Mutter hatte sitzen lassen, wenn auch unwissentlich. War das die große Schuld, die Taffy begangen hatte? Aber nicht nur das. Um seinetwillen hatte Irene wirklich geliebt, obwohl sie der Schattenwelt angehörte, denn sie war eine Hexe.
Er erinnerte sich an Mother Gooses Vorwurf, daß sie ihr Herz an einen Sterblichen gehängt habe.
Sie hatte damit ihre Kräfte verloren. Das war eines der Gesetze, die auch der Dämonenkiller kannte. Vielleicht besaß das Kind die Kräfte der Mutter. Er jedenfalls mochte durch diese Zeugung sogar an ihrem Tod schuld sein, wenn auch ohne Absicht.
„Wie starb sie?"
Der Arzt schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Als ich eines Tages wiederkam, um nach ihr zu sehen, war sie bereits tot. Herzversagen. Sie war sehr schwach gewesen seit der Geburt."
„Da haben wir's", sagte Bedford triumphierend. „Zwei Anwärter für den Taffy-Titel!"
„Vielleicht werden es noch mehr", wandte der Doktor ein. „Wie ist es mit Ihnen und Ihrer Frau, Sykes? Jetzt ist der Augenblick für Geständnisse. Es ist besser, wenn wir wissen, woran wir sind." „Wir kommen dafür nicht in Frage", erklärte Sykes zuversichtlich. „Wir sind keine Welscher und wir haben nichts gestohlen. Wir haben auch keine Seele genommen. Ganz im Gegenteil." Er lachte unsicher. „Wir haben sie gebracht."
„Was wollen Sie damit sagen?" fragte Williams verwundert.
„Mrs. Ormions Tricks mit den Uhren sind für uns kein Geheimnis. Wir verstehen selbst ein wenig von schwarzer Magie. Wußten Sie zum Beispiel, daß unseren Laden nur jemand fand, der ihn finden wollte? Für alle anderen gab es ihn einfach nicht. Das war sehr angenehm. Wir hatten nie Schwierigkeiten mit den Behörden. Zu uns kamen nur interessierte Käufer. Was sie kauften, stammte aus diesem Haus. Und es fand wohl auch immer wieder seinen Weg zurück. Wir bezahlten Mrs. Ormion, nie mit Geld. Aber wir brachten Kunden für ihre Uhren…"
„Sie wollen sagen", unterbrach ihn Bedford, „Sie lockten Leute her, mit deren Seelen sie ihre teuflischen Uhren belebte?"
Sykes nickte.
„Sie Teufel!' rief Mrs. Bedford.
Sykes zuckte die Schultern. „Das ist nicht für jedermann ein Schimpfwort. Mit dem Taffy haben wir jedenfalls nichts zu tun. Wir sind geschäftlich hier. Nur geschäftlich!"
„Und Ihre Uhren?" fragte Williams.
Die beiden drehten ihre Uhren, so daß alle sie sehen konnten. Es waren zwei ganz gewöhnliche Taschenwecker mit normalen Zifferblättern und Zeigern.
„Vielleicht haben Sie ihre Uhren noch oben wie wir", meinte Bedford. Er war nicht überzeugt.
„Ihre Geschichte stimmt", meinte Jeffers. „Ich weiß es, denn ich war einer der Kunden, die sie hierherbrachten bereits vor Ihrer Internatszeit, Hunter. Ich war neugierig, und ich fürchtete die Alte auch nicht. Erst als sie mir zeigte, wie hilflos ich war und wie einfach es für sie war, dieses Räderwerk anzuhalten. Sie tat es oft, um mich gefügig zu machen."
„Gefügig wofür?" fragte Williams.
„Für den gleichen teuflischen Zweck, den diese beiden freiwillig erfüllten. Ich mußte ihr Kunden verschaffen, Seelen für ihre Uhren, junge Seelen, wie ich sie im Internat zur Verfügung hatte. Es war nicht schwer. Die meisten Jungs plagte ohnehin die Neugier. Ihnen allerdings wäre dieses Schicksal erspart geblieben, Hunter, wenn Sie nicht so dreist gewesen wären einzubrechen. Das Mädchen hatte einen Narren an Ihnen gefressen."
„Das muß es wohl gewesen sein", sagte Dorian. Er war noch immer in Gedanken versunken.
„Sie sind vielleicht kein Welscher und kein Dieb", sagte Mrs. Bedford. „Aber Sie sind ein Ungeheuer. Kinder in dieses Haus zu bringen…"
„Sie hätten es auch getan", erwiderte er
Weitere Kostenlose Bücher