Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0896 - Das Licht der Wurzeln

0896 - Das Licht der Wurzeln

Titel: 0896 - Das Licht der Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Krämer
Vom Netzwerk:
ihnen kaum dicker als ein Menschenhaar, in ihrer Gesamtheit wirkten sie jedoch wie die sich ständig bewegenden Tentakel einer Seeanemone.
    Mit den Spitzel diese Tentakel wischte sie sanft über das tote Wesen, immer und immer wieder. Für gewöhnlich reichte das aus, um Geschehenes rückgängig zu machen, doch heute war sie wohl viel zu weit gegangen. Sie atmete ein, beugte sich tief nach unten, bis ihre Lippen beinahe das ballförmige Wesen berührten. Langsam sandte sie ihren Atem zu dem Spielkamerad.
    Die Wirkung war verblüffend und setzte fast zeitgleich ein. Der winzige Mund des kleinen Wesens öffnete sich, sog Luft ein - mehr und mehr. Das sah so aus, als würde er sich bewusst aufpumpen, bis sein Körper wieder wie der eines prall gefüllten Balles aussah. Mit einem Ruck war er wieder auf den spindeldürren Beinchen. Seine Kulleraugen blickten streng und beleidigt.
    »Das passiert dir immer wieder, Maiisaro. Du kannst einfach nicht nett spielen. Alles wird bei dir immer so… heftig!«
    Maiisaro lachte - zu laut, zu hysterisch, denn sie fühlte sich wieder einmal ertappt. »Es tut mir ja auch leid, aber ich mache den Schaden ja immer wieder gut.« Der Ball hüpfte ein paar Mal auf und ab, als wolle er testen, ob tatsächlich alles wieder beim Alten war. Er schien mit dem Ergebnis durchaus zufrieden zu sein. Dennoch schielte er pausenlos skeptisch und mit Vorsicht zu Maiisaro hin.
    Die wurde nun ungeduldig. »Also, was ist denn jetzt? Wir haben noch Zeit - wollen wir hier herumtrödeln? Oder noch ein neues Spielchen wagen?«
    Das Ballwesen tat, als habe es die drängenden Worte überhaupt nicht gehört, doch dann kam unvermittelt Leben in die Kugel. Ansatzlos schnellte sie gute fünf Schritte in die Höhe, verharrte dort für eine Sekunde, ehe sie sich gezielt in die Tiefe fallen ließ. Gezielt… und getroffen, denn die Kugel landete mit einem dumpfen Knall exakt auf Maiisaros Kopf, die vor lauter Schreck in die Knie ging.
    Die Artgenossen der Ballkreatur jubelten auf, und nun waren auch sie mutig genug, Maiisaro zu attackieren. Die hatte ihren Schreck überwunden, lachte hell und fröhlich.
    »Oh wartet nur - ich kriege euch, ich kriege euch alle!«
    Die Bälle preschten auseinander, als hätte einer ein geheimes Kommando gegeben. Maiisaro juchzte vor Vergnügen. Es ging weiter.
    Die wilde Jagd war wieder im Gange.
    ***
    Drei hatte sie schon erwischt.
    Ein viertes der flinken Wesen war direkt vor ihr. Maiisaro beschleunigte ihren Flug, doch der listige Ball ließ sich gegen einen Baum klatschen, manipulierte geschickt den Abprallwinkel - und entschlüpfte den bereits ausgestreckten Armen seiner Jägerin.
    Die Regeln waren ja ganz simpel. Maiisaro musste einen Ball fangen, ihn schnappen. Das reichte aus, um das Kugelwesen zu paralysieren. Am meisten hatte sie Spaß daran, die Wutausbrüche der Bälle zu erleben, wenn sie aus dem Spiel heraus waren. Zu gerne waren sie die Sieger, doch das klappte natürlich nicht oft, weil Maiisaro schnell und wendig war, und weil sie das Spiel beherrschte.
    Heute würde sie aufgeben müssen. Die ersten Anzeichen des Phasenendes fühlte sie schon recht deutlich in sich. Sanft ließ Maiisaro sich aus der Höhe zu Boden sinken. Nach und nach folgten ihr die Bälle, die sie noch nicht gefangen hatte.
    »Du gibst zu, dass wir gewonnen haben?« Die Kleinen waren skeptisch, trauten Maiisaro nicht so richtig über den Weg. Wenn es darum ging, das Spiel siegreich zu beenden, dann konnte man ihr durchaus auch unfeine Tricks zutrauen. Doch heute war dem nicht so.
    Maiisaro winkte müde ab. »Ja, ja - schon gut, ihr habt gewonnen.« Maiisaro klinkte sich aus, als die Ballwesen ihren Erfolg reichlich lautstark zu feiern begannen. Sollten sie nur, es war ja nicht so, als würde sie es ihnen nicht gönnen. Morgen würde es ein neues Spiel geben.
    Maiisaro ließ sich direkt neben einem der Teiche nieder, von denen es hier so viele gab. Im Spiegel der Wasseroberfläche betrachtete sie ihr Gesicht. Ein Mädchen… beinahe schon eine Frau, deren langes Haar sich nicht entscheiden konnte, zu welcher Farbe es denn nun gehörte - ein helles Blond? Nein, doch eher ein zartes Rosa?
    Maiisaro betrachtete ihre nackten Schultern, die sanften Hügel ihrer Brüste, die nur von einem Hauch an Stoff bedeckt waren, der im Grunde ja nichts verdeckte. War sie schön? Es gab niemanden, der ihr diese Frage beantworten konnte. Eine sinnlose Frage, denn hier existierte niemanden, der wie sie war… sie fühlte,

Weitere Kostenlose Bücher