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0897 - Monster-Maar

0897 - Monster-Maar

Titel: 0897 - Monster-Maar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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lächelte entschuldigend. »Suchen Sie eine Unterkunft?«
    Ach, und Mama kann kein Hochdeutsch, oder was?, dachte Nicole amüsiert, dann betraten sie und Zamorra das Gebäude. Oder will sie es nur nicht sprechen? Ja ja, Lokalpatriotismus kann eine Krankheit sein…
    Keine halbe Stunde später hatten sie ein geräumiges Doppelzimmer bezogen und saßen an einem großen Holztisch im Schankraum, vor ihnen auf zwei riesigen Tellern die Mutter aller Schinkenbrote. Wie Halbglatze ihnen erklärte, betreute Mama Hedi - »stolze 78 Jahre alt, aber noch immer die beste Köchin der gesamten Eifel!« - seit Jahrzehnten die Küche der Krone und entließ keinen Gast des Hauses hinaus in die Welt, ohne ihn nicht ordentlich gemästet zu haben.
    »Lassen Sie sieh's einfach schmecken«, sagte der Endfünfziger mit einem Augenzwinkern, dann verschwand er hinter der rustikalen Theke, an der schon die ersten Zecher des jungen Abends saßen. Insbesondere ein junger Mann von vielleicht fünfunddreißig Jahren fiel ihr auf. Laut ihrem Wirt hieß er Franz und war der älteste Sohn dieses Familienbetriebs, den Witwer Halbglatze gemeinsam mit seiner betagten Mutter stemmte. Man musste kein Menschenkenner sein, um zu erkennen, das Franz geistige Defizite hatte: Schweigend und nahezu regungslos saß er auf seinem Hocker am Ende des Tresens und starrte in ein Bierglas. Er war nur körperlich anwesend, und irgendwie hatte Nicole das Gefühl, dass dieser Zustand bei ihm normal war.
    »Wie hat er noch mal gesagt, heiße er?«, fragte Nicole leise und nickte in Richtung ihres Gastgebers.
    »Lessbrück«, sagte Zamorra mit vollem Mund. »Ulrich Lessbrück. Ihm gehört der Laden hier.« Abermals schnitt er sich ein Stück Brot ab und biss herzhaft hinein. »Das ist übrigens wahnsinnig lecker, Nici.«
    »Mhm«, sagte sie zweifelnd und hob die Augenbrauen. Im Gegensatz zu ihr schien der Herr Professor diesen Ausflug ins zivilisatorische Nirgendwo in vollen Zügen zu genießen. »Und wir haben auch noch ein freies Zimmer ergattert. Na, dann herzlichen Glückwunsch.«
    Zamorra grinste. »Offener Geist und offene Augen, Frau Duval! Wo bleibt dein Sinn fürs Abenteuer? Fürs Unbekannte?«
    »Mein… Moment mal. Welches Abenteuer soll das denn sein? Nur weil irgendein Mönch seine tollen fünf Minuten bekommt und sie an dir auslässt, hocken wir jetzt noch einen Tag länger in dieser Einöde. Dein Bauchgefühl in allen Ehren, Chef, aber kann es nich! nächstes Mal irgendwo anders anschlagen? Irgendwo in der Zivilisation vielleicht?«
    »Morgen noch. Falls wir dann immer noch nicht schlauer sind, lassen wir die Eifel einfach in Stefans vertrauensvollen Händen. Der hat sie sich immerhin freiwillig ausgesucht.« Mit diesen Worten hob Zamorra den schweren Bierhumpen mit der Aufschrift Basalt-Bräu, der auf dem Tisch vor ihm stand, und prostete ihr spitzbübisch zu. »Außerdem kann ich mir Schlimmeres vorstellen, als einen Abend in einem Dorf zu verbringen, das über eine so interessante Brauerei-Historie verfügt. Zum Wohl!«
    »Wenn Männer mal in Urlaub fahren…«, seufzte Nicole, konnte sich das Lachen aber kaum noch verkneifen.
    ***
    Die Nacht war schwärzer als schwarz, und Eusebius fröstelte. Ein beißender Wind pfiff durch die Bäume am Ufer des Laacher Sees, und nur selten schaffte es ein Strahl des fahlen Mondlichts durch den wolkenverhangenen Himmel und auf die Wasseroberfläche, wo er sich dann wabernd spiegelte.
    Es war kalt geworden, kalt und nahezu totenstill.
    Eusebius Struttenkötter saß auf einem kleinen Klappstuhl vor seinem Wohnwagen und blickte in das Dunkel, lauschte dem leisen Plätschern des Wassers wenige Meter vor ihm. Er hasste diese Zeit. Nachts erinnerte nichts in dieser Gegend mehr an das emsige Treiben der vorherigen Stunden. Sobald das Licht der Sonne endgültig verschwunden war, und mit ihm die unzähligen Touristen und Wanderer, wurde Maria Laach ein Nicht-Ort. Ein seltsames Zwischending; nicht länger das freundlich-idyllische Postkartenmotiv des Tagesbetriebs, sondern… ja, was?
    »Dessen Rückseite«, murmelte er leise, dann nickte er. Die Formulierung entzog sich jeglicher Logik, und doch fand Eusebius sie passend. Im Dunkeln verwandelte sich Maria Laach in sein Gegenteil. Nicht greifbar, nicht real - aber emotional.
    Struttenkötter schluckte, dann stieß er Luft durch die Nase aus und schüttelte den Kopf. »Alter romantischer Spinner«, flüsterte er und lächelte leicht. »Drei Nächte allein in der freien Natur, und

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