0898 - Praxis des Teufels
nahm die Blätter und betrachtete sie eingehend. Dabei wehrte sie immer wieder ihre Großmutter ab, die schließlich mit einem sicher nicht sehr höflich gemeinten Kommentar zum Ladenbesitzer hinüberging und anfing, mit ihm auf Kantonesisch zu tuscheln.
Debbie sah kurz zu den beiden hinüber. »Achten Sie nicht auf sie. Sie hasst die moderne Schulmedizin und kann nicht glauben, dass sie manchmal auch brauchbare Ergebnisse hervorbringen kann.« Sie studierte die Blätter eingehend. »Zu diesen Untersuchungsergebnissen kann ich Ihnen folgendes sagen: Es ist eindeutig etwas Fremdes in Gloria Sorensens Kreislauf geraten«, meinte sie schließlich. »So, als wäre ihr etwas injiziert worden, das sich aber mit ihrem Blut nicht verbunden hat. Man will es untersuchen, aber kann es nicht definieren. Hier ist auch eine Aufnahme der mikroskopischen Untersuchung.« Sie reichte Zamorra ein Bild, auf dem außer ein paar schwarzen und roten Flecken auf hellem Untergrund nicht viel zu sehen war. Doch die schwarzen Flecken schienen jedes Licht zu schlucken und sahen selbst auf dem Foto bedrohlich und gefährlich aus. »Die Ärzte scheinen davon auszugehen, das hier sei eine Art Bakterium. Man nimmt an, Mrs. Sorensen leide unter einer Infektion unbekannter Art und hat sie mit Antibiotikum behandelt.«
Der Meister des Übersinnlichen nahm das Bild und steckte es zusammen mit den restlichen Krankenblättern wieder in seine Innentasche. »Viele Leute sind sich der Präsenz des Übernatürlichen nicht bewusst«, meinte er.
»Besonders Ärzte und Wissenschaftler haben damit so ihre Schwierigkeiten, aber das wissen Sie ja sicher aus eigener Erfahrung. Sie glauben nicht, dass es Dämonen und ihren Einfluss überhaupt gibt.«
Einen Moment herrschte Schweigen zwischen den beiden. Dieser Fall jedenfalls lag anders.
»Sie sagen also, Naomi Sutton wäre die nächste?«, fragte Zamorra nach einer kleinen Pause.
»Nachdem, was sie mir erzählt hat, ja, da bin ich sicher.«
»Chéri, wir müssen eingreifen, das weißt du. Wir können sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen«, mischte sich Nicole jetzt ein. In der Hand hielt sie eine kleine Tüte mit den Kleinigkeiten, die sie erstanden hatte.
»Für heute ist sie geschützt«, meinte Debbie zur Partnerin des Professors. »Ich habe die Verbindung mit dem Dämon mit einem Kräutersud unterbrochen.«
Zamorra war verblüfft. »So etwas funktioniert?« Er wunderte sich, dass so ein einfacher Kräuterzauber einen Erzdämonen wie Lucifuge Rofocale abhalten konnte.
»Ja«, meinte Debbie stirnrunzelnd. »Ich konnte ja selbst miterleben, dass Naomi Sutton ihre Wut mit einem Mal beherrschen konnte. Erst wehrte sich etwas in ihr gegen den Tee, aber dann wurde sie ruhiger. Das war nicht nur ihr eigener Wille, auch wenn der geholfen hat.«
»Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass der Einfluss noch nicht allzu hoch war, Zamorra«, meinte Nicole. »Sie ist ja auch erst seit drei Tagen in der Klinik.«
»Ich gebe zu, die Wirkung des Tees und der Kräuter, die ich um ihr Bett herum ausgestreut habe, wird wohl nur ein paar Stunden lang anhalten und einen entschlossenen und starken Dämon nicht abhalten. Aber um diesen Teufel zu vernichten, sind Sie ja wohl auch gekommen, oder?«
»Richtig«, meinte Nicole betont fröhlich. »Das müssen wir irgendwie hinkriegen. Ich schlage vor, wir fangen bei Dr. Morcomb an. Ich bin sicher, dass er es ist, der Lucifuge Rofocale ermöglicht, in dieses Krankenhaus zu gehen und all diese Patienten für seine Zwecke zu missbrauchen. Wir sollten ihn lieber früher als später ausschalten.«
Sie warf Zamorra einen bedeutsamen Blick zu und der wusste sofort, was sie sagen wollte. Wenn sie erst einmal Morcomb ausgeschaltet hatten, war es Fu Long vielleicht möglich, etwas gegen Lucifuge Rofocale zu unternehmen, ohne dass noch mehr Unschuldige in die ganze Sache hineingerieten. Zamorra glaubte nicht, dass Fu Long das wissentlich vorhatte, aber er befürchtete fast, dass der Vampir in seinem unerschütterlichen Willen, dem Erzdämonen den Garaus zu machen, Kollateralschäden durchaus in Kauf nahm.
Zamorra nickte Nicole bestätigend zu. »Vielleicht haben wir Glück und wir können schon etwas erreichen, bevor Ihr Dienst heute abend beginnt«, meinte er dann zu Debbie. »Zumindest könnten wir Naomi Sutton helfen. Die Kräuter von Mrs. Song scheinen ja durchaus eine gewisse Wirkung zu haben, aber ich bin sicher, dass sie kaum etwas gegen einen persönlichen Auftritt
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