0898 - Todesruf der Alten Göttin
Gesicht darin.
Suko schaute zurück, sah, wie ich die Schultern hob, nickte und fuhr weiter.
Gordy war verzweifelt. Er wußte, wer er war und befand sich trotzdem auf der Suche nach seiner Identität. Er steckte in einer Krise.
Ich empfand Mitleid für ihn und hoffte stark für Gordy eine Lösung zu finden, vielleicht mit Hilfe meiner Freundinnen Sarah Goldwyn und Jane Collins. Möglicherweise konnte sich auch Bill Conolly noch engagieren, das war noch Zukunftsmusik. Zunächst einmal kam es darauf an, den Jungen in Sicherheit zu bringen. Aber konnte er vor den Personen überhaupt sicher sein, die ihn damals im alten Ägypten schon gejagt hatten? Meine Zweifel waren berechtigt. Neben mir trocknete Gordy seine Tränen, dann putzte er sich die Nase. Es war alles so normal. Gordy verhielt sich nicht anders oder keineswegs extrem, und doch war es für uns kaum zu fassen, wer da mit in unserem Rover hockte. Ein Junge, der fünftausend Jahre und noch älter war.
Unfaßbar!
»Willst du nicht lieber zu schlafen versuchen, Gordy? Du solltest gewisse Vorgänge zurückdrängen. Der Absturz war schlimm, aber du mußt dir auch darüber im klaren sein, daß du Suko und mir das Leben gerettet hast.«
Er schniefte. »Ich habe euch… wieso?«
»Wenn du nicht gewesen wärst, hätte uns der Hubschrauber erwischt. Er sollte abstürzen, genau auf uns, doch du hast ihn abgelenkt. Dein drittes Auge hat es geschafft, dafür möchte ich mich bedanken.«
Er lächelte verlegen. »Es ist mir gar nicht so bewußt geworden«, murmelte er.
»Doch, es stimmt. Du hast ihn durch deine Kraft abgelenkt. Nimm es letztendlich als positive Botschaft hin und versuche, dir selbst einen Gefallen zu tun: Schlaf jetzt.«
»Ich bin auch müde«, gab er zu.
»Eben.«
»Sogar erschöpft.«
Ich strich über sein Haar. »Schlaf jetzt, Gordy, in London werden wir dich wieder wecken.«
»Gut« murmelte er. »Aber wo fahren wir hin?«
»Zu Freunden.«
»Können wir uns auf die verlassen?« Seine Stimme war noch schwächer geworden. Er hatte der Müdigkeit freie Bahn gelassen, und sie überkam ihn wie eine Welle.
»Auf sie können wir uns voll und ganz verlassen.«
»Das ist super, wirklich super.« Seine Gestalt sackte zur rechten Seite, dann schloß er die Augen.
Suko räusperte sich. »Das war gut, John, wirklich, aber du solltest noch etwas tun.«
»Und was? Auch schlafen?«
»Nein, bestimmt nicht. Warum sollte es dir denn besser gehen als mir. Du könntest jemanden vorwarnen. Ich halte es für besser, wenn du Lady Sarah zuvor anrufst.«
»Jetzt noch?«
»Dann kann sie sich vorbereiten.«
Suko hatte recht. Ich ließ mir von ihm den Hörer nach hinten reichen. Die Schnur war lang genug, und mein Freund wählte Sarah Goldwyns Nummer, denn der Apparat war nicht beweglich. Er stand vorn auf der Konsole. Ich lauschte dem Tuten. Es war schon mehr als ungewöhnlich, zu einer derartigen Zeit mit jemandem zu telefonieren, auch wenn es eine ältere Frau war, die eigentlich immer auf dem Sprung stand, um irgendwelche Neuigkeiten zu erfahren. Sauer würde sie nicht sein, aber sicherlich überrascht.
Suko fuhr ziemlich schnell und auf der rechten Überholspur. Ich schaute aus dem Fenster und ließ die Landschaft an mir vorbeihuschen. Sie bestand aus wechselnden Schatten, mal flach, mal höher, Hügeln und Bäumen, sowie entfernter liegenden Häusern.
Endlich meldete sich jemand. Wer es war, konnte ich schlecht herausfinden, denn diese Stimme klang weder weiblich noch männlich. Sie lag irgendwo dazwischen, neutral war sie, und die Worte waren für mich auch nicht zu verstehen.
»Sarah, bist du es?«
»Ja, so ähnlich. Ich bin es zwar, aber ich komme mir vor, als wäre ich mein eigener Geist.«
Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Die letzte Antwort hatte mir bewiesen, daß ich tatsächlich auf der richtigen Spur war und auch die richtige Person an der Strippe hatte. Lady Sarah, die Horror-Oma, hatte ihren Humor nicht verloren.
»Hier ist John.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Wieso«
»Es gibt keinen, der so unverschämt ist, um diese schlimme Zeit bei einer alten Frau anzurufen. So etwas kann auch nur dir einfallen, Geisterjäger.«
»Ich weiß«, gab ich zu und tat zerknirscht. »Kannst du mir trotzdem noch einmal verzeihen?«
»Schon geschehen.« Ihre Stimme klang wach. »Außerdem ist die alte Frau über jede Störung froh, mein Junge. Wenn du um diese Zeit anrufst, hast du ein Problem.«
»Richtig. Und zwar ein recht
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