0898 - Todesruf der Alten Göttin
Alpträume bleiben mir erspart.
Nur das Erwachen paßte mir nicht. Jemand stieß mich an. Ich merkte es im Unterbewußtsein, öffnete auch die Augen, die mir sehr schnell wieder zufielen.
»Wir sind da, John!«
Es war Sukos Stimme, die wie durch einen kalten Nebel in mein Gehirn drang. Es war nicht die Kälte eines Nebels, die durch mein Gesicht strich, sondern die frühmorgendliche Kühle. Sie drang durch die offenen Fondtüren des Rovers.
Ich schlug die Augen endgültig auf, schaute in das Licht der Innenbeleuchtung und blinzelte verwirrt.
»Hoch mit dir!«
»Schon gut.«
»Gordy ist schon ausgestiegen.«
Als Suko den Namen des Jungen erwähnte, verschwand der Druck aus meinem Kopf. Ich war wieder voll da und erinnerte mich augenblicklich daran, um was es ging.
Ich drückte mich aus dem Fahrzeug, das Suko zwischen zwei Bäumen auf dem Gehsteig abgestellt hatte, dicht hinter einem Golf, der Jane Collins gehörte.
Von der rechten Seite her fiel Licht auf den Bürgersteig. Es drang aus einer offenen Tür hervor, überschwemmte einen Teil des Vorgartens, und in der Tür standen Lady Sarah und Jane.
Suko war bereits um den Rover herumgegangen. Er hielt sich neben Gordy auf, der seine Schlafaugen rieb. Suko sprach den Jungen an, und Gordy nickte einige Male.
Ich schloß die Tür. Gordy schaute mir entgegen. »Da bist du ja, John. Du hast geschlafen.«
Ich lachte. »Wir beide haben geschlafen.«
»Stimmt.«
»Kommt endlich, sonst wird der Kaffee noch kalt!« Lady Sarah beschwerte sich. Sie winkte uns zu, und wir waren froh, in die Wärme ihres Hauses eintauchen zu können.
Jane hielt sich etwas im Hintergrund auf. Während sich Lady Sarah um den Jungen kümmerte, begrüßte ich sie. Die Detektivin sah noch etwas verschlafen aus. »Du machst vielleicht Sachen«, sagte sie, nachdem sie mich auf die Wangen geküßt hatte.
»Ist was? Habe ich was an mir?«
»Ja, du und auch die anderen beiden. Ihr riecht nach Rauch und Verbranntem.«
»Das stimmt allerdings.«
»Habt ihr einen Brand gelöscht?«
»Nein, darum hat sich die Feuerwehr gekümmert. Ich bin froh, daß ich noch lebe.«
»War es so schlimm?«
»Es ist noch schlimm.«
»He, du Störenfried, willst du nicht kommen und eine alte Freundin begrüßen, wenn du sie schon in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett holst?«
»Aber gern doch, meine Liebe.« Auch Sarah Goldwyn wurde von mir umarmt. Suko telefonierte inzwischen mit Shao. Er wollte sie nur beruhigen. Mit einem Ohr hörte ich mit und erfuhr, daß Shao kaum geschlafen hatte, weil sie sich um ihren Suko Sorgen gemacht hatte.
Gordy stand etwas abseits. Er hatte seinen Anorak ausgezogen und schaute sich um. Seine Augen zeigten dabei einen neutralen Ausdruck, und ich hatte das Gefühl, als würden seine Blicke auf Jane Collins immer länger verweilen. Sicher war es nicht, und ich maß dieser Tatsache auch keine Bedeutung bei.
»So, der Kaffee ist fertig. Laßt uns mal in meine Puppenstube gehen«, schlug die Horror-Oma vor und lag damit gar nicht mal so falsch, denn die Einrichtung des Wohnraums in der unteren Etage bestand aus einem Sammelsurium aus alten Möbeln und viel Nippes, aber es war einfach gemütlich und nicht so kalt wie in manchen Wohnungen, in denen moderne Möbel standen, die einfach zu unbequem waren, um darin zu wohnen und sich ausleben zu können.
Die Sessel waren bequem, auch dank ihrer hohen Lehnen, und auch ich hatte so etwas wie einen Stammsessel.
Lady Sarah nahm auf der Couch Platz. Der Junge saß neben ihr. Er hatte schon einige Kekse bekommen und erhielt auch als erster sein Getränk. Einen frisch gekochten Kakao.
»Danke, Mrs. Goldwyn.«
»Sag einfach Sarah zu mir.«
»Gern.«
Den Kaffee schenkte Jane ein. Nachdem wir die ersten Schlucke genommen hatten, kam die Horror-Oma auf das Thema zu sprechen. »Ihr seht alle ziemlich geschafft aus.«
»Stimmt«, gab Suko zu.
»Weshalb?« fragte Jane. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und hielt die Tasse mit beiden Händen fest. Als Oberteil trug sie ein bis zu den Hüften reichendes Shirt, und die Beine wurden von sanftgrünen Leggings umschlossen.
»Es geht um den Jungen. Um Gordy, der uns so manches Rätsel aufgegeben hat.«
»Dürfen wir es erfahren?«
»Das müßt ihr sogar«, sagte ich. »Wahrscheinlich wird Gordy erst mal bei euch bleiben müssen.«
Die Frauen nickten. Nur Suko regte sich nicht. Er saß in einem Sessel und hielt die Augen halb geschlossen. Seine Haltung bewies mir, daß er sich aus dem
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