09 - Befehl von oben
hakte der Reporter nach. Kealty sah aus der Entfernung von drei Metern zu.
»Das Gericht hat eine andere, wichtige verfassungsrechtliche Grundfrage hier geklärt. Durch die Benennung von Präsident Ryan in Namen und Titel seines Amtes hat das Gericht die Nachfolgefrage beantwortet, die der ehemalige Vizepräsident Kealty gestellt hatte. Zudem hat das Gericht entschieden, daß der Exekutivbefehl aufgehoben würde. Wenn Mr. Ryan nicht der Präsident wäre, könnte der Befehl nie gültig oder rechtlich bindend gewesen sein, und das Gericht hätte das feststellen müssen. Statt dessen hat das Gericht zur Sache unrichtig, zum Verfahren aber richtig geurteilt. Wenn Sie mich entschuldigen wollen - der Solicitor General und ich haben jetzt einige Schreibarbeit zu erledigen.«
Es kam nicht oft vor, daß es Reportern die Sprache verschlug. Bei Politikern fiel das noch schwerer.
»Nun warten Sie mal!« rief Kealty.
»Sie waren nie ein besonders guter Anwalt, Ed«, sagte Martin, als er vorbeiging.
»Ich glaub', er hat recht«, sagte Lorenz. »Gott, ich hoff, daß er recht hat.«
Die CDC-Labors waren von Anbeginn an verzweifelt bemüht, festzustellen, wie haltbar der Virus an der Luft war. Umgebungskammern mit verschiedenen Temperaturen und Luftfeuchtigkeitsgraden und Lichtstärken waren aufgestellt worden, und die Daten sagten ihnen unverständlicherweise ständig dasselbe. Die Krankheit, die sich auf dem Luftweg ausbreiten sollte, tat das nicht oder zumindest nur marginal.
Die Virulenz hielt sich auch unter günstigen Bedingungen nur wenige Minuten lang.
»Ich wünschte, ich verstünde hier die militärische Seite etwas besser«, fuhr Lorenz nach kurzer Zeit fort.
»Zwo-zwo-drei Primärfälle. Das ist alles. Gab's mehr, wüßten wir's bis jetzt. Achtzehn bestätigte Ausgangsorte, vier weitere Handelsmessen, die keine Treffer aufzeigen. Warum achtzehn und nicht die anderen vier?« wunderte sich Alex. »Was, wenn die alle zweiundzwanzig angegriffen haben, aber vier nicht geklappt haben?«
»Auf der Basis unserer experimentellen Daten ist das eine echte Möglichkeit, Alex.« Lorenz saugte an seiner Pfeife. »Unsere Modelle sagen jetzt insgesamt 8000 Fälle voraus. Wir werden Überlebende sehen, und die werden das Modell wiederum leicht verändern. Die Geschichte mit der Quarantäne hat den Leuten eine Scheißangst eingejagt. Wissen Sie, ich vermute, daß das Reiseverbot gar nicht so viel ausmacht, aber es hat die Menschen so sehr geängstigt, daß sie nicht genug interagieren, um ...«
»Doktor, das ist heute schon die dritte gute Nachricht«, hauchte Alexandre. Die erste war die Frau in Hopkins gewesen. Die zweite waren Picketts analytische Daten. Die dritte war nun Gus' Laborarbeit und deren logische Schlußfolgerung. »John sagte schon immer, daß Biokrieg mehr psychologisch als real sei.«
»John ist ein cleverer Arzt, Alex. Das sind Sie auch, mein Freund.«
»Drei Tage, und wir werden es wissen.«
»Bis dann.« Alex legte per Knopfdruck auf. Bei ihm standen sechs Ärzte der Army, drei von Walter Reed, drei von USAMRIID. »Kommentare?« fragte er sie.
»Verrückte Lage«, sagte ein Major mit erschöpftem Lächeln, »'s ist tatsächlich 'ne psychologische Waffe. Macht den Leuten 'ne höllische Angst. Aber das arbeitet auch für uns. Und jemand hat auf der anderen Seite gepatzt. Ich frage mich, wie ...«
Alex dachte darüber ein Moment lang nach. Dann nahm er den Hörer und wählte Johns Hopkins. »Hier ist Dr. Alexandre«, sagte er der Stationsschwester auf der Inneren. »Ich muß mit Dr. Ryan sprechen, ist sehr wichtig ... Okay, ich bleib' dran.« Es dauerte ein paar Minuten.
»Cathy, hier Alex. Ich muß mit Ihrem Mann sprechen, und es wär' besser, wenn Sie dabei wären ... es ist verdammt wichtig«, sagte er ihr einen Moment später.
55 / Maturafeier
Zweihundert Akten bedeutete, zweihundert Geburtsbescheinigungen, zweihundert Führerscheine, Häuser oder Wohnungen, Kreditkartensätze und alle möglichen Varianten davon zu prüfen. Es war unausweichlich, daß nach einer solchen Untersuchung Spezialagent Raman besondere Aufmerksamkeit seitens der 300 FBI-Agenten genießen würde, die dem Fall zugewiesen waren. Tatsächlich aber war jeder Angestellte des Secret Service, der regelmäßigen Zugang zum White House hatte, auf der Checkliste für detaillierte Prüfung. Im ganzen Lande begannen Agenten mit Geburtsscheinen und fuhren u.a. fort mit Prüfung der Schuljahrbuch-Fotos zwecks Vergleich mit den ID-Bildern aller Agenten.
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