09 - Befehl von oben
erstenmal -, und das sollten sie jetzt detailliert schildern für Leute, die zumeist nie eine Waffe gehalten, geschweige denn im Ernstfall geschossen hatten. Geheimhaltungseid hin oder her, eines Tages könnten einige reden, und die geringste Folge wären peinliche Presseenthüllungen. Als nächstes käme Befragung unter Eid - nun, so bald nicht, korrigierte sich John - vorm Untersuchungsausschuß; Fragen von Leuten beantworten, die von so was nicht mehr Ahnung hätten als die CIA-Pimpfe, die dafür bezahlt wurden, von ihren Schreibtischen aus über Leute im Feld zu richten.
Schlimmstenfalls kam's zur Anklage, weil die Dinge, die er getan hatte, zwar nicht direkt illegal waren, legal aber auch nicht. Irgendwie waren die Verfassung und der United States Code nie so recht dem angepaßt worden, was die Regierung zwar tat, aber ungern öffentlich zugab. Sein Gewissen war zwar rein, seine Ansichten über taktische Moral würden aber nicht jedermann angemessen erscheinen. Ryan würde sie aber vermutlich verstehen - immerhin etwas.
»Was Neues heut morgen?« erkundigte sich Jack.
»Wir rechnen damit, daß die Bergungsarbeiten am Abend fertig sind, Sir.« Pat O'Day war heute für FBI bei der morgendlichen Lagebesprechung. Er erklärte, Murray sei zu beschäftigt. Der Inspektor übergab eine Mappe mit Listen geborgener Leichen. Ryan überflog sie kurz und fragte sich, wie zum Teufel er bei so etwas noch frühstücken könnte?
Zum Glück gab es im Moment nur Kaffee.
»Was noch?«
»Das Bild festigt sich langsam. Wir haben, meinen wir, die Leiche des Kopiloten geborgen. Er wurde ermordet, schon Stunden vorm Absturz, was die Annahme stützt, der Pilot habe allein gehandelt. Wir führen DNA-Tests durch, um die Identitäten zu bestätigen.« Der Inspektor blätterte in seinen Notizen, um sein Gedächtnis aufzufrischen. »Tests auf Drogen und Alkohol waren bei beiden Leichen negativ. Auswertung des Flugdatenschreibers, der Bänder mit Funkverkehr und Radaraufzeichnungen, was wir gesammelt haben, führt alles zum selben Ergebnis: ein Täter, der allein vorging.«
»Nächster Schritt?«
»Wird ein Ermittlungsprozeß wie im Lehrbuch. Wir rekonstruieren alles, was Sato - so hieß der Pilot - im Laufe des letzten Monats getan hat, und verfolgen die Spuren. Telefongespräche, wo er war, wen er traf, Freunde, Kollegen, Tagebuch, wenn's eins gibt, alles, was uns in die Hände fällt. Der Gedanke dahinter ist, den Mann vollständig zu rekonstruieren und festzustellen, ob er Teil einer möglichen Verschwörung war. Das dauert - ein ziemlich umfassender Vorgang.«
»Vorläufige Einschätzung?« fragte Jack.
»Einzeltäter«, sagte O'Day diesmal mit noch mehr Überzeugung.
»Ist noch verdammt früh für 'ne Schlußfolgerung«, wandte Andrea Price ein. O'Day drehte sich um.
»Das ist keine Schlußfolgerung. Mr. Ryan hat um vorläufige Einschätzung gebeten. Ich bin eine ganze Weile im Ermittlungsgeschäft, und dies sieht nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Spontanverbrechen aus. Beim Mord am Kopiloten, zum Beispiel. Er hat die Leiche nicht mal aus dem Cockpit entfernt. Hat sich laut Tonband beim Opfer entschuldigt nach dem Zustechen.«
»Sorgfältig ausgearbeitetes Spontanverbrechen?« zweifelte Andrea.
»Flugkapitäne sind durchorganisierte Leute«, erwiderte O'Day. »Was für den Laien höchst kompliziert wäre, ist für die so einfach wie ein Reißverschluß. Die meisten Mordanschläge erfolgen durch gestörte Individuen, die zufällig Glück haben. In diesem Fall hatten wir leider einen sehr fähigen Täter, der sein Glück selbst gestalten konnte. Wie auch immer, das ist, was wir im Augenblick haben.«
»Noch mal zur Verschwörungstheorie: Wonach würden Sie suchen?« fragte Jack.
»Sir, erfolgreiche Verschwörungen sind auch unter besten Voraussetzungen schwer durchzuziehen.« Inspektor O'Day fuhr fort: »Das liegt an der Natur des Menschen. Prahlerei ist normal; wir teilen gern Geheimnisse, um uns hervorzutun. So oder so reden sich Kriminelle regelrecht ins Gefängnis. Okay, in diesem Fall geht's nicht um den gewöhnlichen Räuber, aber das Prinzip gilt. Für 'ne Verschwörung braucht man Zeit und Gespräche, das ergibt undichte Stellen. Dann gibt's das Problem, den >Shooter<, mir fällt kein besseres Wort ein, auszuwählen. Dazu blieb keine Zeit. Die gemeinschaftliche Sitzung war viel zu spät angesetzt für Diskussionen irgendwelcher Art. Der Mord am Kopiloten sieht stark nach Spontanverbrechen aus. Ein Messer ist unsicherer als
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