09 - Befehl von oben
sollte, doch dann dachte sie nach, wie sich ihr Leben wohl verändern würde. Für sie alle war Daddy immer noch Daddy, was für einen Job er im Augenblick auch haben mochte. Sie würden es schon noch anders erleben, war Jack sich im klaren, doch eins nach dem anderen.
»Das haben wir noch nicht ausgeknobelt«, erwiderte ihr Mann, während er sich Rührei und Schinken nahm. Heute würde er reichlich Energie benötigen.
»Jack, wir haben ausgemacht, daß ich meiner Arbeit weiter nachgehe, richtig?«
»Mrs. Ryan?« Das war Andrea Price, die immerzu da war, wie ein Schutzengel, aber mit Maschinenpistole. »Wir arbeiten noch die einzelnen Sicherheitsmaßnahmen aus, und ...«
»Meine Patienten brauchen mich. Jack, Bernie Katz und Hal Marsh können manches übernehmen, ein Patient aber braucht heute unbedingt mich. Ich muß auch die Lehrvisite vorbereiten«, sie sah auf die Uhr, »in vier Stunden.« Das stimmte, wußte Ryan. Professorin Caroline Ryan, MD, FACS, war Top-Gun in der Laser-Augenchirurgie. Aus aller Welt kamen Leute, um ihr bei der Arbeit zuzusehen.
»Schulen sind aber doch ...« Mitten im Satz brach Price ab, ihr war eingefallen, daß sie es besser wußte.
»Medizinische Fakultäten nicht. Wir können Patienten nicht einfach heimschicken. Tut mir leid. Ich weiß, wie kompliziert das ist, aber auf mich sind Leute angewiesen, und ich muß für sie dasein.« Cathy blickte auf die Gesichter der Erwachsenen in der Küche und erhoffte sich eine Entscheidung in ihrem Sinne. Das Küchenpersonal - alles Matrosen - kam rein und ging raus wie bewegliche Statuen und tat, als hörte es nichts. Die Secret-Service-Leute zogen ein anders nichtssagendes Gesicht, mit etwas mehr Unbehagen drin.
Von der First Lady wurde erwartet, unbezahlte Gehilfin des Mannes zu sein. Ein Zustand, der der Änderung bedurfte. Irgendwann würde es auch eine Präsidentin geben, und das würde alles übern Haufen werfen - offensichtlich, aber bisher bewußt ignoriert. Die politische Gattin trat an der Seite des Mannes auf, mit entzückendem Lächeln und wenigen, ausgesucht reizenden Worten, ertrug die Langeweile vom Wahlkampf und die überraschend brutalen Händedrücke - dem durfte Cathy Ryan ihre Chirurgenhände gewiß nicht aussetzen, fiel Price ein. Diese First Lady hatte einen eigenen Job. Mehr noch, sie war Ärztin, der gerade der Lasker Memorial Public Service Award zugesprochen wurde. Und wenn Price eines über Cathy Ryan wußte, dann, daß sie dem Beruf ergeben war und nicht nur ihrem Mann. So bewundernswert das auch war, dem Service würde es kaiserlichen Kopfschmerz bereiten, dessen war sich Price sicher. Schlimmer noch, der Agent, der Mrs. Dr. Ryan zugeteilt war, war Roy Altman, ein stattlicher ehemaliger Fallschirmjäger, der sie noch nicht kannte. Die Wahl ging ebenso auf Roys Körpergröße zurück wie auf seinen Verstand. Es schadete nie, einen offensichtlichen Bodyguard dicht dabei zu halten; die First Lady schien vielen als leichtes Ziel, da war's eine von Roys Funktionen, den potentiellen Täter schon durch seine Anwesenheit abzuschrecken. Andere Mitglieder des Detail wären so gut wie unsichtbar. Eine andere Funktion Altmans war es, mit seiner Masse eventuelle Geschosse abzufangen, etwas, mit dem sich Agenten im Training, nicht aber in Gedanken aufhielten.
Auch jedes von Ryans Kindern mußte beschützt werden. Die Wahl von Katies Bodyguard war am schwierigsten, denn um diesen Job hatten Agenten gekämpft. Boß wurde das älteste Mitglied des Teams, ein Großvater namens Don Russel. Klein Jack bekam einen jungen Mann, einen echten Sportsfan, und Sally Ryan erhielt eine Agentin, die knapp dreißig, ledig und hip war, klug in der Art junger Männer und gern in Einkaufszentren unterwegs. Die Familie Ryan sollte sich so behaglich fühlen wie nur möglich angesichts der Tatsache, daß ihnen ständig, außer auf die Toilette, jemand mit geladener Schußwaffe und Funkgerät folgte. Am Ende war's natürlich hoffnungslos. Präsident Ryan wußte Bescheid, und seine Familie müßte sich daran gewöhnen.
»Dr. Ryan, wann müssen Sie aufbrechen?« fragte Price.
»Rund vierzig Minuten. Das hängt vom Verkehr ...«
»Nicht mehr«, korrigierte Price die First Lady. Der Tag würde noch schlimm. Ursprünglich sollte der vorige Tag dazu genutzt werden, des Vizepräsidenten Familie ins Nötigste einzuweisen, doch der Plan war zerballert worden. Altman befand sich im anderen Raum, studierte die Karte. Es gab drei Strecken nach Baltimore: die I-95,
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