09-Die Pfade des Schicksals
unter den Toten zu sich zu rufen. Das hat der Ur-Lord nie getan. Ihre spätere Versklavung durch den Verderber war keine Entscheidung und kein Wunsch des Zweiflers, sondern eine Folge ihrer eigenen Torheit.
Dass ihr Geist niemals dem Verderber gedient hat, war ein Geschenk des Ur-Lords an sie. Mit Unterstützung von Kräften, die ein Forsthüter vom Koloss am Wasserfall heraufbeschworen hat, hat er ihre Verzauberung beendet, als sie sich nicht selbst von dem Bann befreien konnte.«
Sein physisches Leben hatte Covenant nicht vergessen. Er wusste noch, dass er Elena befreit hatte, indem er den ursprünglichen Stab des Gesetzes vernichtet hatte. Hätte er das nicht getan, hätte sie ihn umgebracht. Aber diese Verzweiflungstat hatte wiederum Lord Fouls Rückkehr zur Macht und die Schrecken des Sonnenübels erleichtert.
Offenbar ließ Schlimmes sich mit guten - oder zumindest notwendigen - Mitteln erreichen.
Die Kiefer des Mähnenhüters mahlten, als kaute er mögliche Antworten durch. Aber ehe er sich für eine entschied, erklärte Covenant Branl: »Nein, Mahrtür hat recht. Elena hat keine weiteren Qualen verdient. Wir alle treffen Entscheidungen, und keiner von uns kann vorhersagen, was daraus entstehen wird. Aber mit den Folgen müssen wir trotzdem leben. Ich habe nicht gewusst, was geschehen würde, als ich Anele gebeten habe, mit den Toten zu sprechen. Aber das mindert meine Verantwortung dafür nicht im Geringsten.«
»Und haben die Toten sich nicht auch entschieden?«, warf Branl ein. »Hat nicht auch Elena Gesetzesbrecherin eine Entscheidung getroffen?«
Covenant nickte. »Ja, das hat sie getan. Und sie hat dafür gebüßt. Sie büßt noch jetzt dafür. Aber das ändert nichts an dem, was ich getan habe. Ich habe um Hilfe gebeten. Meine Mitschuld ist nicht dadurch erledigt, dass ich mir die Hilfe, die ich bekommen habe, nicht selbst ausgesucht habe.«
Während Covenant sprach, sackte Mahrtür sichtbar zusammen. Sein Ärger wich bedrückter Niedergeschlagenheit. Er schwieg, während Branl nach einer Schwachstelle in Covenants Argumentation suchte. Als er jedoch keine fand, sagte der Mähnenhüter unsicher: »Zeitenherr, ich erflehe deine Verzeihung. Ich habe meine Antwort bekommen. Das Urteil dieser Haruchai, die sich selbst verstümmelt haben, beeinflusst mich nicht. Aber ich erkenne jetzt, dass mein Zorn sich gegen den Falschen gerichtet hat.
In Wahrheit habe ich keinen Grund, dir irgendetwas vorzuwerfen. Das habe ich nur getan, weil die Verlorene Tiefe mich meiner selbst beraubt hat. Ich habe erfahren müssen, dass ich ein Nichts bin, das weder der Ring-Than noch den Ranyhyn dienen kann. Dieses Wissen ist bitter für mich. Ich ertrage es nicht mit Anstand.«
Ich weiß, dachte Covenant bedrückt. Mahrtiirs Schmerz war nur eine der vielen Qualen, gegen die Covenant kein Gegenmittel hatte.
Branl musterte den Erblindeten, zog fragend eine Augenbraue hoch. Im nächsten Moment sagte er: »Das verstehen wir nicht. Wie kann ein bloßer Ort einen Mähnenhüter der Ramen herabsetzen? Du bist, wer oder was du bist, durch den Verlust gewöhnlichen Augenlichts an Stärke, Voraussicht und Tapferkeit ungeschmälert. Noch haben undurchdringlicher Fels oder uralte Zauberbanne dich herabsetzen können. Etwas anderes zu denken, heißt nur, den Einflüsterungen der Verderbnis zu erliegen.«
Mit einer Bewegung, die zu rasch ablief, als dass Covenant ihr hätte folgen können, hielt Mahrtür seine Garotte in den Händen. »Machst du mir Vorwürfe, Schlafloser? Findest du, dass mein Bild von mir selbst dieser Gesellschaft oder der Ring-Than oder dem Land schadet?«
Covenant, der eine zustimmende Antwort Branls erwartete, stöhnte innerlich.
Aber der Gedemütigte antwortete ausdruckslos: »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe es auch nicht gemeint. Du bist ein Mähnenhüter der Ramen. Wegen ihrer Treue zu den Ranyhyn steht ihr bei den Haruchai seit der Zeit der Bluthüter in hohem Ansehen. Auch wenn du auf unsere Meisterschaft herabsiehst, kannst du nicht an meinem Wort zweifeln. Sollte irgendeine Anschuldigung zwischen uns stehen, kommt sie aus deinem Inneren, nicht aus irgendeinem Urteil der Gedemütigten oder der Meister.«
Trotz seiner gefühllosen Hände streichelte Covenant weiter Lindens Haar. »Er sagt die Wahrheit, Mahrtür. Das weißt du. Er ist ein Haruchai. Er lügt niemals.
Ich verstehe, wie es ist, sich nutzlos zu fühlen. Aber damals war ich schwächer als du jetzt. Bei meiner ersten Ankunft im Land habe
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