09-Die Pfade des Schicksals
ich mich an die Idee geklammert, ich sei hilflos. Ich habe darauf gebaut. Ich wollte die Last, die dazugehört, dass man imstande ist, für etwas einzustehen, nicht schultern. Ich habe lange gebraucht, um das Bedürfnis, mich schwach zu fühlen, endlich zu überwinden.«
Er hatte gelernt, dass nur die Verdammten erlöst werden können.
»Natürlich«, gab er zu, »hatte ich Hilfe. Sehr viel Hilfe.« Atiaran, Mhoram. Bannor. Salzherz Schaumfolger. Triock. Sogar Lena, die er vergewaltigt und verlassen hatte. »Aber die hast du auch. Und du hast noch einen weiten Weg vor dir.« Das hatte Covenant schon einmal gesagt, aber er wusste nicht mehr, weshalb. »Du musst erst wieder zurückkommen.«
Mahrtiirs Kiefermuskeln verkrampften sich. Die Halssehnen traten deutlich hervor. Als führte er einen Schlag oder bereitete sich darauf vor, einen einzustecken, sagte er krächzend: »Meister, ich sehe mich gezwungen, auch deine Verzeihung zu erflehen. Liegt Freude in den Ohren, die hören, wie die Riesen sagen, nicht in dem Mund, der spricht, dann müssen auch Tadel und Reue in den Ohren liegen, die hören. Indem ich die Meister für ihr Urteil gescholten habe, habe ich mir angemaßt, über sie zu urteilen. Das war mein Fehler.«
Branl betrachtete den Mähnenhüter prüfend. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts, als er Mahrtiirs Entschuldigung mit einer leichten Verbeugung annahm.
Mahrtür wandte sich erneut an Covenant. »Erhalte ich Gelegenheit, deinen Rat zu befolgen, Zeitenherr, werde ich es tun.«
Dann wandte er sich ab, als hoffte er, seine Selbstvorwürfe tarnen zu können, indem er ihnen den Rücken zukehrte.
Der Haruchai reagierte mit einem Schulterzucken, bevor er wieder seinen Platz zwischen Clyme und Stave einnahm, die am Rand der Senke Wache hielten.
Covenant studierte einige Augenblicke lang Mahrtiirs angespannte Haltung. Der Mähnenhüter tat ihm leid; Teufel, alle taten ihm leid. Vielleicht, dachte er säuerlich, ist es nur gut, dass ich mich an vieles nicht mehr erinnern kann. Vielleicht war das entscheidend. Hätte er sich daran erinnern können, worüber er auf der Hochebene über Schwelgenstein mit Mahrtür gesprochen hatte - oder mit Liand oder Bahni und Bhapa -, hätte er der Versuchung, sein Handeln zu erklären, vielleicht nicht widerstehen können. Für Mahrtür wäre es bestimmt ein Trost gewesen, dass er noch eine wichtige Rolle zu spielen hatte. Aber dieses Wissen würde seine Entscheidungen, sein weiteres Handeln beeinflussen. Direkt oder indirekt würde es sich auf die ganze Gesellschaft auswirken. Und Covenant wäre für diese Änderung verantwortlich. Linden und ihre Freunde würden sich von Erkenntnissen leiten lassen, die sie nicht durch eigene Anstrengung gewonnen hatten. Letzten Endes wären sie nicht mehr wirklich frei gewesen.
Aber davor wurde Covenant durch die ihm auferlegte Sterblichkeit bewahrt - im Guten wie im Bösen. Er lief nicht mehr Gefahr, zu viel zu sagen …
Höllenfeuer, murmelte er im Stillen vor sich hin. Kein Wunder dass nur Leute wie Roger und Kreaturen wie der Croyel Götter werden wollten. Die zu diesem Status gehörende Machtlosigkeit hätte einen Basaltbrocken geängstigt. Für jemanden, dem Glück und Wohlergehen oder auch nur das Überleben anderer am Herzen lag, war absolute Macht ebenso schlimm wie Machtlosigkeit. Der Schöpfer konnte nur Welten erschaffen oder zerstören; er konnte nicht über sie herrschen, sie fördern, ihnen beistehen. Er war einfach zu stark, um sich innerhalb der Beschränkungen der Zeit zu verwirklichen.
So betrachtet war Vergessen Covenants einzige wirkliche Hoffnung. Auch wenn er sich dringend erinnern wollte, brauchte er diese spezifische Form der Unwissenheit; brauchte sie unbedingt.
Nichts weniger konnte ihn daran hindern, die Notwendigkeit von Freiheit zu missachten.
Allmählich stieg die Sonne über den Rand der Senke. Ihre Strahlen erreichten Covenants Gesicht: eine Berührung, die in diesem ausgetrockneten Landstrich zu einem Fluch werden konnte. Weiter im Schatten schliefen die Riesinnen auf dem Boden der Senke auf Sand, Steinen und spärlichem Gras. Auch Liand und Anele schliefen. Galt, dessen Hand auf Jeremiahs Schulter lag, hielt dem Croyel den Krill an die Kehle. Der Junge stand da, als wäre er zu blöde, um Durst oder Müdigkeit zu spüren. Die Lippen des Croyel bewegten sich, als gierten sie nach Jeremiahs Hals oder formten wortlose Beschwörungen. Auf dem Wall über der restlichen Gesellschaft standen Stave, Branl
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