09-Die Pfade des Schicksals
allzu viele.« Auch Sunder und Hollian, die es besser hätten wissen müssen. »Teufel, das tut jetzt sogar sie. Bisher hat sie sich immer erholt. Wir müssen ihr nur Zeit lassen, dann findet sie selbst wieder ihren Weg.«
Falls seine gefühllose Berührung sie beruhigte oder tröstete, war ihr nichts davon anzumerken.
Der Mähnenhüter trat einen Schritt näher. »Ich habe keine Angst um sie, Zeitenherr. Ich fürchte um dich.«
Covenant wartete. Das überraschte ihn nicht; er fürchtete selbst um sich. Seine neue Sterblichkeit war mit zu vielen Mängeln behaftet.
»Ich gestehe ein«, fuhr Mahrtür fort, »dass du mir ein Rätsel bist. Du übersteigst mein Begriffsvermögen. Schon aus diesem Grund gehört meine Lehenstreue mehr der Ring-Than als dir.«
Covenant wollte etwas Zustimmendes sagen, aber Mahrtür gab ihm keine Gelegenheit dazu.
»Trotzdem habe ich wahrnehmen können, dass Sie, die nicht genannt werden darf, das Gespenst von Hoch-Lord Elena verschlungen hat.«
»Ja.«
»Sie ist deine Tochter.«
Covenants Erinnerungen schmerzten wie alte Wunden. Sein Kummer drängte ihn zu lautem Wehklagen. Aber er behielt ihn für sich.
»Die Tat, die sie ins Verderben gestürzt hat, war deine. Erzähl mir nicht, dass du dir nur Aneles Vernunft und seinen Dienst sichern wolltest. Das will ich gar nicht hören. Ich gestehe dir zu, dass du nicht vorhersehen konntest, was geschehen würde.« Der Mähnenhüter betonte jedes Wort so sorgfältig, als müsste er sich beherrschen, um nicht zu schreien. »Trotzdem war es deine Tat.«
Covenant erwiderte seinen Blick, so ruhig er nur konnte. »Ja.«
Fast anklagend verkündete Mahrtür: »›Gutes lässt sich nicht mit schlimmen Mitteln erreichem, lehren die Wegwahrer. Ich werfe dir nicht vor, dass du den Krill aus Andelain mitgenommen hast. So hast du die Entführung des Sohns der Ring-Than ermöglicht. Auch bezweifle ich deine Tapferkeit nicht. Deine Hände sind Beweis genug, dass du nicht davor zurückschreckst, den Preis für deine Entscheidungen zu zahlen. Aber über Jahrtausende hinweg - vom Augenblick ihrer Zeugung bis zu ihrem letzten Sturz unter dem Gravin Threndor - hast du deiner Tochter nichts als Unglück gebracht. Deiner Tochter, Zeitenherr. Deshalb fürchte ich dich.«
Weil er selbst litt, wandte Covenant ein: »Aber wir leben noch …«
Der Mähnenhüter unterbrach ihn. »Durch schlimme Mittel. Oder willst du die Opferung deiner Tochter als gut bezeichnen? Die Ring-Than würde das nicht tun. Und sie würde ihren Sohn unter keinen Umständen opfern.«
»Nein, das täte sie nicht«, bestätigte Covenant. »Ich übrigens auch nicht. Schließlich lebt er noch.
Aber«, beteuerte er, »ich habe nicht gewusst, was geschehen würde.« Das musste er deutlich feststellen. Er schleppte ohnehin schon mehr, als er eigentlich tragen konnte. »Sunder und Hollian haben Elena ausgewählt. Ich hatte nichts damit zu tun. Und ich bin noch nicht fertig.«
»Nicht fertig?« Mahrtür blaffte ein humorloses Lachen. »Willst du es um Hoch-Lord Elenas willen noch einmal mit Ihr, die nicht genannt werfen darf, aufnehmen?«
»Das wird sich zeigen«, knurrte Covenant. Lindens Gewicht auf seiner Brust war eine Anklage, die er nicht zurückweisen konnte. Ihre schmutzige Flanellbluse, durchlöchert und zerrissen, hatte so viel mitgemacht wie sein altes T-Shirt und seine Jeans. »Ich habe mehr Schaden angerichtet, als ich ertragen kann. So ist es schon immer gewesen. Aber wir leben noch. Das bedeutet, dass wir weiter eine Chance haben.« Ruhiger schloss er: »Dass ich weiter eine Chance habe.«
Branl sprang plötzlich von dem Wall, der die Senke umgab, und näherte sich Covenant und Mahrtür. »Davon wollen wir nichts mehr hören, Mähnenhüter«, sagte er schneidend scharf. Eine Drohung… die Loyalität der Gedemütigten saß tief. »Du bist ungerecht - dem Zweifler wie den Toten gegenüber.«
Mahrtiirs Augenverband unterstrich seine finstere Miene. »Wieso das?« Er schien Streit zu suchen. Sein Gefühl, unnütz zu sein, brauchte irgendein Ventil.
»Dass Hoch-Lord Elenas schmachvolle Zeugung sie einen hohen Preis gekostet hat«, antwortete Branl, »lässt sich nicht leugnen. Trotzdem kann der Ur-Lord nicht dafür verantwortlich gemacht werden, was sie aus ihrem Leben gemacht hat. Die Folgen ihrer Taten lassen sich weder mit den Umständen ihrer Geburt noch mit ihrer Abstammung entschuldigen. Sie hat sich dafür entschieden, Kevin Landschmeißer von seinem rechtmäßigen Platz
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