09-Die Pfade des Schicksals
dass er dem Beispiel der Mahdoubt folgend auf seinen eigenen Ruin hingearbeitet hatte -, setzte Raureif Kaltgischt Covenants Antwort fort, als wollte sie ihm den Rest ersparen.
»Außerdem war der Eifrige der Überzeugung, dass die Flut, die du unter dem Gravin Threndor ausgelöst hast, die Gefahren dieser Zeit erheblich verändert hat. Er glaubt, sie habe die Prophezeiungen seines Volkes weggespült. Jetzt ist dein Schicksal ›in Wasser geschriebene Deshalb kann er keinen nützlichen Rat mehr anbieten.«
In Wasser geschrieben. Linden verzog unwillkürlich das Gesicht. Auf ihrer Flucht aus Steinhausen Mithil hatte der Verächter ihr selbst erklärt, ihr Schicksal sei in Wasser geschrieben.
Vorläufig verstand sie nichts. Ihre Gefährten hatten erst zu reden begonnen - und schon zu viel gesagt. Wie konnte etwas, das die Urbösen und sie getan hatten, das Schicksal des Landes verändern oder Lord Fouls Manipulationen beeinflussen? Das war doch wohl nicht denkbar?
Der Eifrige unterbrach ihre wirren Überlegungen. »Und daher«, verkündete er wie aus dem Nichts, »kehre ich zurück, um mein gegebenes Wort zu halten.«
Mit wirbelnden bunten Bändern materialisierte er sich in dem Halbkreis, den Lindens Gefährten bildeten.
»Die Insequenten haben beschlossen«, teilte er der verwunderten Gesellschaft mit, »eurem Bedürfnis nach Unterstützung bis zu diesem Ausmaß entgegenzukommen.« In seiner Stimme klang kaum noch etwas von seinem früheren arroganten Lispeln an. »Dank ihrer Macht und ihres Wissens werde ich gnädig verschont, um euch den versprochenen letzten Dienst erweisen zu können.«
Die Bänder seines Gewands trugen oder umklammerten mindestens zwei Dutzend Bündel in allen Größen: Bettrollen, schwere Säcke, volle Wasserschläuche. Mit diesen Lasten, die den Halbkreis fast ausfüllten, war er wie eine Karawane beladen. Linden erfasste intuitiv, dass die Säcke voller Lebensmittel und Weinflaschen waren.
Im nächsten Augenblick fiel ihr auf, dass er noch schmutziger und zerzauster war, als sie ihn zuletzt gesehen hatte. Tatsächlich sah er aus wie jemand, der durch den Dreck geschleift und verprügelt worden ist. Sein regenbogenbuntes Gewand war schlammig; die meisten Bänder hingen in Fetzen herab. Bei Tageslicht wirkte sein ehemals selbstzufriedenes Gesicht schmal und elend, als wäre er auf unerklärliche Weise abgemagert.
Trotzdem hielt er sich aufrecht und spielte den Starken, der er nicht länger war. Sein angestrengtes Lächeln sollte vermutlich beruhigend sein.
»Hier«, sagte er heiser, »ist ein Festmahl, das selbst Riesinnen sättigen müsste.« Er legte seine Bündel nacheinander ab. »Unter den Insequenten ist der Eifrige nicht der einzige Jünger der Mahdoubt. Euch soll aus eurer Notlage geholfen werden. Schlemmt ihr ungehemmt, reichen diese Vorräte für zwei bis drei Tage. Teilt ihr sie klug ein, braucht ihr keinen Hunger zu fürchten, während ihr die letzte Krise der Erde durchlebt.«
Covenant glotzte ihn geradezu an. Die Schwertmainnir waren im ersten Augenblick zu verblüfft, um zu reagieren. Dann sprangen sie gemeinsam auf und griffen nach den Säcken des Eifrigen.
Sogar Anele setzte sich von der Aussicht auf Essen elektrisiert ruckartig auf.
»Himmel und Erde!«, krähte Liand. Er war mit einem Satz auf den Beinen und stürmte auf den Insequenten zu, um ihn zu umarmen.
Der Eifrige wirkte im ersten Augenblick völlig verblüfft; er war so erstaunt, als hätte Liand ihn tätlich angegriffen. Aber dann schlang er seine bunten Bänder um den Steinhausener. Sein schmal gewordenes Gesicht strahlte vor Freude und Überraschung.
In wenigen Augenblicken hatten die Riesinnen genug ausgepackt, um alle zu speisen: Lammkeulen und Brathühner und gebratene Gänse, ganze Räucherschinken, Unmengen von Frisch- und Dörrobst, große Käseräder und köstlich duftende backfrische Brotlaibe. Diese Gerüche und ihr Hunger überwältigten Linden fast, bis sie kaum noch etwas anderes als ihre innere Leere spürte.
»Du musst es ihnen gesagt haben«, krächzte Covenant. Auch er war jetzt auf den Beinen. »Du musst ihnen gesagt haben, wie dringend wir dich brauchen.«
»Oh, gewiss, Zeitenherr.« Der Eifrige bemühte sich vergebens, seine Stimme leicht arrogant und unbesorgt klingen zu lassen. »Hier siehst du das Ergebnis.« Er deutete auf die Bündel. »Um euretwillen bleibe ich noch eine Zeit lang verschont.«
»Dann sag es ihnen noch mal. Höllenfeuer! Ich sehe, dass du praktisch vor
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