09-Die Pfade des Schicksals
unseren Augen stirbst. Sag ihnen, dass wir ohne dich verloren sind.«
»Zeitenherr, besteh nicht darauf.« Die Augen des Eifrigen lagen tief in ihren Höhlen. Er starrte Covenant wie ein zum Hungertod Verurteilter an. »Sollen wir uns selbst verdammen? Begnügt euch mit dem, was ihr habt. Ich bleibe bei euch, solange ich kann. Dann muss ich euch verlassen. Die Alternative …« Er schüttelte sich. »Die Alternative wäre der Verlust von Zweck und Name und Leben für unsere Rasse. Stellen wir uns gegen das, was wir sind, werden wir zu nichts.«
Kaltgischt und ihre Gefährtinnen servierten rasch einen Teil der Vorräte auf dem Verpackungsmaterial: auf Quadraten aus einem unbekannten Gewebe, dessen Imprägnierung es luft- und wasserdicht machte. Während sie ein Mahl für alle vorbereiteten, versuchten sie selbst schon Lamm und Käse, naschten von Früchten und kosteten Wein aus urnenartigen großen Tonkrügen. Sein Duft erinnerte Linden an den frischen Duft von Frühlingswein, nur fehlte ihm eine deutliche Duftnote von Aliantha.
Trotz ihres Hungers dachte Sturmvorbei Böen-Ende daran, Anele Essen hinzustellen, damit der Alte nicht in Versuchung geriet, den Schutz seiner Steinschale zu verlassen.
Während Bhapa und Pahni dem Beispiel der Riesinnen folgten und Essen für ihren Mähnenhüter und sich selbst holten, funkelte Covenant den Eifrigen an. »Wir sollen uns begnügen, was? Mit dem, was wir haben, rätst du uns? Und hältst du das für wahrscheinlich? Verdammt noch mal, ich verlange nicht, dass sie ihre Identität preisgeben. Sie sollen nur eine Ausnahme machen.
Gott im Himmel!« Covenants Augen glänzten wie von Tränen feucht. »Du verhungerst, und wir wissen nicht einmal deinen Namen.«
Die um sie herum im Sand Sitzenden hörten zu, während sie aßen. Selbst der Croyel schien aufmerksam zu lauschen. Linden konzentrierte sich auf jedes Wort - und versuchte, sich mit ärztlicher Distanziertheit gegen persönliche Anteilnahme zu wappnen. Covenant hatte recht: Auch für den Eifrigen hatte die grausame Notwendigkeit, die Verstand und Leben der Mahdoubt aufgezehrt hatte, schon begonnen. Das erkannte sie deutlich. Sie bedauerte ihn, wie sie die Mahdoubt bedauert hatte. Aber sie hörte trotzdem nicht zu essen auf. Die eigenen Bedürfnisse forderten ihr Recht.
Zwischen Wachstuchquadraten sitzend stopfte sie sich mit Käse und Obst und Schinken voll; trank gierige Schlucke von dem likörartig starken Wein; aß weiter und versuchte, sich zu langsamem Kauen anzuhalten. Auf gewisse Weise war Essen auch ein Mittel gegen Kummer.
Es wirkte gegen Verzweiflung.
Als Antwort auf Covenant schien der Eifrige laut nachzudenken: »Für sich allein ist mein Leben nicht weiter wichtig. Obwohl ich mein Hinscheiden bedaure, wird es euch weder Kraft noch Zielbewusstsein kosten. Und es ist nur angemessen, dass die Verantwortung für das Schicksal der Erde von denen getragen wird, deren Leben außerhalb der Grenzen unseres Wissens begonnen hat. Auch die Schlange des Weltendes lebt und bewegt sich außerhalb dieser Grenzen. Der Dienst an den Völkern der Erde ist zweifellos notwendig. In diesem Dienst habe ich die Rolle des Insequenten gespielt. Aber die letzte Aufgabe fällt euch zu, das steht außer Zweifel.«
Er hätte vielleicht noch mehr gesagt, aber der Croyel unterbrach ihn. »Wer füttert mich?«, knurrte der Sukkubus missmutig. »Ich kann nicht von Luft und Wunschträumen leben. Und von euch kann keiner die Schlange aufhalten. Ich …«
Linden sprang instinktiv auf; hielt dabei ihren Stab umklammert. Das Ungeheuer verstummte sofort. Jeremiahs Blick blieb trüb und leer, als hätte er keinen Laut von sich gegeben.
Am ganzen Leib zitternd stand Linden vor den von Galt Bewachten. Gott, wie sie sich den Tod des Croyel wünschte! An den Rücken ihres Sohns geklammert schien er alles zu verfälschen, was sie jemals für Jeremiah getan hatte. Seine unerbittliche Bösartigkeit … nur die Tatsache, dass sie nicht wusste, wie sie ihm schaden konnte, ohne Jeremiah zu verletzen, hielt sie davon ab, ihren Stab zu gebrauchen.
Aber bald, versprach sie dem Ungeheuer im Stillen. Bald bin ich so weit. Dann finde ich ein Mittel, dir das Herz aus dem Leib zu reißen.
Fast ohne es zu wollen sah Linden jedoch auch, dass Jeremiah wirklich Stärkung brauchte. Weil sie ihn möglichst wenig angesehen hatte, war ihr sein stummer Hunger entgangen. Jetzt stand er ihr deutlich vor Augen.
Trotzdem schreckte sie davor zurück, ihn selbst zu
Weitere Kostenlose Bücher